Der Letzte seiner Art

Heinz Fischer kandidiert wieder als Bundespräsident und wird auch gewählt werden. Aber was kommt dann?

Das Internet, dieses Teufelsding, macht also auch vor der Hofburg nicht halt. Heinz Fischer hat seine Wiederkandidatur für das Amt des Bundespräsidenten mit einer Videobotschaft im Internet angekündigt. Auf www.heinzfischer.at sah man den Bundespräsidenten an seinem Schreibtisch. Drei Äpfel, eine Packung Manner-Schnitten, ein Babyfoto, das Enkerl. Fischer spricht ungefähr so spontan wie der Sprachautomat eines Teleshoppingcallcenters den Text, der 15Minuten später auch als Aussendung an die Redaktionen geht.

So sieht das aus, wenn sich die Berater eines österreichischen Politikers einbilden, sie müssten die Facebook-Welt erobern.

Der Neuigkeitswert der Nachricht von der Wiederkandidatur Fischers ist begrenzt. Niemand hat je angenommen, dass jemand, dem die Ausübung seines Amtes so erkennbar große Freude macht, auf eine Fortsetzung verzichtet. Er wäre wohl auch dann angetreten, wenn Erwin Pröll nicht von den verängstigten Massen der Landesuntertanen am mutwilligen Verlassen seines wohlgeordneten Donaureiches gehindert worden wäre.

Statt sich von der „Kronen Zeitung“ dazu drängen zu lassen, seine Kandidatur frühzeitig anzukündigen, um Hans Dichands Wunschkandidaten Erwin Pröll das nötige Momentum zu verschaffen, tat er, was er sein ganzes politisches Leben lang getan hat: warten.

Heinz Fischer hat immer gewartet, bis die Gefahr vorbei ist. In innerparteilichen Auseinandersetzungen genauso wie in den Wechselspielen sozialpartnerschaftlicher Gewichtsverschiebungen, durch die die österreichische Politik in all den Nachkriegsjahrzehnten, in denen Fischer Teil dieses Systems war, geprägt wurde. Würde man mithilfe eines hochkomplexen Algorithmus herausfinden wollen, wo genau die Grenze zwischen Feigheit und Klugheit verläuft, so würde der dafür gebaute Supercomputer immer dasselbe Ergebnis ausspucken: Diese Grenze befindet sich immer dort auf der politischen Landkarte, wo sich Heinz Fischer gerade befindet.


Das hat ihm im Laufe seiner politischen Karriere viel berechtigte Kritik eingebracht – Bruno Kreiskys Diktum, dass Heinz Fischer immer dann, wenn man ihn gerade einmal brauche, am Klo anzutreffen sei, gehört zum Kernbestand des österreichischen Anekdotenschatzes. Es wäre freilich falsch, Heinz Fischer vorzuwerfen, dass er keinen erkennbaren ideologischen Standpunkt habe, im Gegenteil: Im Unterschied zur derzeitigen Führungsschicht seiner Partei war er immer ein Vertreter der sozialistischen Orthodoxie. Fischer hat nur immer besser als alle anderen gewusst, dass ein zu exzessives Ausleben von Risikobedürfnissen zum Amtsverlust führen kann. Seine spezifische Form der Askese hat sich für ihn immer bezahlt gemacht. Zu Recht: Wie soll man denn die Welt zum Besseren verändern, wenn man kein Amt mehr hat?

Fischers politische Grundhaltung des Durchlavierens ist in Österreich mehrheitsfähig. Die Österreicher lieben den Sozialismus, solange man ihn nicht Sozialismus nennt, sondern besonderes Engagement für die Schwachen, Miteinander, Solidarität, Ausgleich und Abwägung. Auch aus dieser Perspektive ist Heinz Fischer die Idealbesetzung für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten.


Man wird sehen, ob sich die anderen Parteien bemüßigt fühlen, einen Pro-forma-Kandidaten aufzustellen, um sich öffentlich präsent und die jeweils eigenen Funktionäre bei Laune zu halten. Sinnvoll ist ein solcher Wahlkampf nicht. In diesem besonderen Fall nicht, aber auch nicht im Allgemeinen: Warum sollte man eine öffentliche Auseinandersetzung um ein Amt führen, das sich im Verständnis der weit überwiegenden Mehrheit gerade dadurch auszeichnet, dass sein Inhaber keine inhaltliche Position bezieht, die über die gemessene Absonderung von Gemeinplätzen hinausgeht?

Vielleicht kann man die zweite Amtszeit Heinz Fischers dazu nützen, sich über Inhalt und Wahlmodus des höchsten Amts im Staate Gedanken zu machen. Das Amt des Bundespräsidenten ist zwar nicht das wichtigste, aber eben auch ein Symptom dafür, dass das österreichische Institutionengefüge nicht wirklich auf der Höhe der Zeit ist.

Heinz Fischer ist, das kann ihm keiner nehmen, bei aller Kritik, die man an ihm äußern mag, ein sehr respektabler Politiker von Bildung und Format. Und er ist der ideale Bundespräsident für das gegenwärtige Österreich. Aber er ist auch, im Guten wie im Schlechten, der Letzte seiner Art.


michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2009)

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