Vom Griensteidl bleibt Rien

V. l. n. r.: Philipp Haufler, Viola Bachmayr-Heyda, Hubert Peter und Simon Kotvojs im Rien.
V. l. n. r.: Philipp Haufler, Viola Bachmayr-Heyda, Hubert Peter und Simon Kotvojs im Rien.(c) Clemens Fabry
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Das Wiener Kaffeehaus wird in der Zwischennutzung neu bespielt: mit Diskussionen und Jazz, mit Drinks, Desserts und Murmeltier.

Das Münztelefon darf bleiben. Wie auch die braunen Kaffeehausstühle und die Wandbänke mit ihrem roten Samtbezug bleiben dürfen – sowie die vier Versalien RIEN aus dem Portal-Schriftzug des Griensteidl. Sonst wird sich das Kaffeehaus im Palais Herberstein am Michaelerplatz ab Mitte August in etwas anderem Gewand präsentieren. Und vor allem mit deutlich anderem Inhalt. Eine „Bühne zum Entfalten“ soll dieser Ort werden, eine – wenn man diesen Begriff bemühen will – Spielwiese für Literatur, Kunst, Kulinarik, Musik.

Im Juni war bekannt geworden, dass das Griensteidl schließt; es war erst 1990 als Retortenversion des Literaten- und Künstlertreffpunkts aus dem späten 19. Jahrhundert wiedereröffnet worden und darf somit als etwas anderer Fall von Kaffeehaussterben eingeordnet werden.

Der Eigentümer des Hauses, Gerald Schweighofer, hat nun die Projektschmiede Friendship.is damit beauftragt, die weitläufigen Räumlichkeiten des Griensteidl eine Zeit lang als Versuchslabor zu nutzen. Am Ende der Zwischennutzungsphase soll, unter Projektleitung von Philipp Haufler, eine Art Thesenbuch mit einem Fazit vorliegen: Was funktioniert an diesem Standort, einem Bürohaus mit riesigem Gastro-/Veranstaltungsbereich in allerbester Innenstadtlage? Rien, „nichts“ auf Französisch, scheint den Friendship-Leuten da ein passender Arbeitstitel. Nichts muss, alles darf. Fix ist: „Es gibt kein Schnitzel.“ Und: „Wir wollen die Wiener zurück.“

Nicht nur die Möglichkeiten dieses prominenten Ortes, sondern auch die eigenen Fähigkeiten austesten wird jenes Quartett, das für die Kulinarik des Rien verantwortlich ist. Der Leiter der hiesigen Gastronomieschiene, der Barkeeper Hubert Peter, möchte sich gemeinsam mit Koch Lucas Steindorfer (davor Tian Bistro, Die Liebe) nach dem Abenteuer im Rien selbstständig machen. Und auch der Koch Simon Kotvojs (ehemals Badeschiff und Mochi) sowie die Patissière Viola Bachmayr-Heyda nutzen das Rien als Probelauf für ihre geplante Selbstständigkeit. Kotvojs und Steindorfer haben beide bei Christian Petz gelernt, was sich in der schlank gehaltenen Speisekarte des Rien niederschlagen soll: Innereien, Kronländerküche, Spiel mit Wien-Klischees und -Traditionen. Hubert Peter rückt seine großen Einmachgläser mit diversen alkoholischen Ansätzen schon jetzt in einer Herrengassen-Auslage ins Rampenlicht. Bewacht von einem ausgestopften Murmeltier aus seiner Heimat, Vorarlberg.

Upcycling und Klangkünstler

Ebenfalls in den Fenstern, gleichermaßen als Abschirmung während des Umbaus und als Präsentationsfläche: Werke befreundeter Künstler. „Die erste Maßnahme, als wir hier übernommen haben.“ Für Essen und Trinken zu sorgen ist nämlich längst nicht alles, was das Rien-Team in den kommenden Monaten, in seiner „Spielzeit“, so vorhat. Der Karl-Kraus-Saal an der Schauflergassen-Flanke wird zum Concept-Store für Wiener Design umfunktioniert. Im Service sollen Journalisten arbeiten, die Interviews führen und so zum Thesenbuch beitragen werden. Klangkünstler Richard Eigner wird wie der Schmusechor oder die vierköpfige Frauenformation Fräulein Hona Teil des musikalischen Spielplans sein. Dieser soll daran erinnern, dass das Kaffeehaus einst ein Ort der Musik war. Künstler Sascha Vernik alias Revkin, derzeit an der Herrengassen-Seite mit einem Fenster-Bild vertreten, bemalt die Decke. Für die Umgestaltung des L-förmigen Raums ist Designer Christopher Rhomberg zuständig. Von den Lampen etwa bleibt nur das Material – sie werden, wie vieles hier, einem Upcycling unterzogen.

Es wird eine hochintensive Zeit für das Team. Und es ist diesem zu wünschen, dass jeder am Ende sagen wird: „Non, je ne regrette Rien.“

ZUM PROJEKT

Das Café Griensteidl, 1990 als Retortenversion des Literatenkaffeehauses aus dem 19. Jahrhundert wiedereröffnet, wurde kürzlich geschlossen. Die Projektschmiede Friendship.is, unter anderem durch die Feldküche bekannt, wurde damit beauftragt, das weitläufige Lokal zu bespielen und eine Art Thesenbuch zu verfassen, was an diesem Standort funktionieren könnte: Gastronomie, Literatur, Musik, Diskussionen? Eröffnet wird Mitte August.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2017)

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