Wiener Koalitionsstreit um Märkte

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die SPÖ will Hybridstände aus Handel und Gastronomie künftig verbieten, Grüne diese fördern. Wiens Bürger wünschen sich mehr Märkte, die Nachfrage fehlt dann aber doch oft.

Wien. Dass die Wiener Grünen und die ÖVP einer Meinung sind, ist selten. Dass die in jüngster Zeit sonst eher wenig rebellischen Grünen dafür auch noch gegen ihren Koalitionspartner, SPÖ, schießen, auch. Wenn es um die Markt-Pläne der zuständigen Stadträtin, Ulli Sima (SPÖ), geht, ist das aber so.

Wie „Die Presse“ berichtete, will diese die ihrer Meinung nach ausufernde Gastronomie auf Märkten eindämmen. Diese sollen wieder das werden, was sie einmal waren: Nahversorger. Darum dürfen neue Lebensmittelstände die bisher acht erlaubten Sitzplätze nicht mehr haben. Die Regelung ist seit 1. Juli in Kraft. Neben etlichen Standlern, der Wirtschaftskammer und der Opposition protestieren nun auch die Grünen gegen die Verordnung. „Das war nicht abgesprochen“, sagt der grüne Marktsprecher und Gemeinderatsabgeordnete Rüdiger Maresch am Donnerstag bei einer Pressekonferenz am Meidlinger Markt. „Aus meiner Sicht ist das der Todesstoß für die kleineren Märkte.“

Verhandlungen für eine neue Marktordnung sollen nun starten, die Grünen wollen Folgendes durchsetzen: erstens längere Öffnungszeiten. Derzeit dürfe der Supermarkt nebenan länger offen halten, das sei eine Ungleichbehandlung. Zweitens: mehr Vielfalt der Waren. Es sei nicht einzusehen, warum manche Dinge verkauft werden dürfen und andere nicht. So dürfen Stände mit einer Gastrogenehmigung etwa alle alkoholischen Getränke ausschenken – Lebensmittelstände mit Verabreichungsplätzen nur Bier, aber keinen Wein. Dazu will man Lebensmittelhändlern eigentlich mehr Sitzplätze als bisher erlauben: Die Regelung mit den acht Plätzen soll für drinnen gelten – dazu sollen Standler einen Schanigarten betreiben dürfen. Die Grünen wollen außerdem neue Märkte in Stadtentwicklungsgebieten. Vor allem Bauern- und Biomärkte sollen gefördert werden. Fast wortident dieselben Forderungen hat ÖVP-Chef Gernot Blümel Anfang der Woche artikuliert.

Die Krux mit den Märkten

Sowohl Simas Vorstoß als auch die Forderungen von Grün und Schwarz haben Haken. So nennt Sima etwa meist Naschmarkt und Karmelitermarkt als Negativbeispiele für überbordende Gastronomie. Hier könnte ihre Regelung wohl tatsächlich für mehr Diversität sorgen. Andererseits sind es aber gerade die Hybridformen aus Gastronomie und Handel, die einst tote und unattraktive Märkte wie den Schwendermarkt (etwa das Landkind) oder den Meidlinger Markt (z. B. Marctstandl) wieder zum Leben erweckt haben. Dass man eben gerade dort nur vom Handel nicht leben kann, hat die Vergangenheit gezeigt.

Wenn Grüne und ÖVP mehr Märkte fordern, dann entspricht das dem Bürgerwillen. „Märkte sind in allen Bezirken ein Thema“, sagt Johannes Kellner von der Agenda 21, die für die Stadt Wien regelmäßig die Wünsche der Bürger in den Bezirken erfasst. Vor allem der Wunsch nach Biomärkten sei groß. Es fehlt dann aber doch oft die Nachfrage: Das zeigten etliche gescheiterte Markt-Experimente in der Vergangenheit. „Es ist schwierig, einen Markt zu etablieren“, sagt Marktamtssprecher Alexander Hengl. Es dauere sehr lange, bis Kunden etwa wissen, dass ein Bauernmarkt immer an einem bestimmten Tag stattfinde.

Dazu sei es schwierig, überhaupt Standler zu finden – noch dazu Bauern. Laut Landwirtschaftskammer gibt es in ganz Österreich immer weniger Landwirte – somit auch potenzielle Standler. Davon abgesehen ist deren Hauptgeschäft eben die Landwirtschaft, der Verkauf auf dem Markt meist nur ein Hobby. Ein größeres Markt-Experiment könnte es übrigens im Stadtentwicklungsgebiet Nordwestbahnhof (Brigittenau) geben. Dort ist neben einem großen Park eben auch ein Markt mit fixen Ständen geplant.

GENEHMIGUNGEN

Befugnis. In Wien gibt es 17 fixe und fünf temporäre Märkte, für die Stände gibt es unterschiedliche Bewilligungen: Gastro, Handel und Dienstleistungen. Laut Marktordnung darf nur ein Drittel der Stände eine Gastro-Genehmigung haben. Lebensmittelstände hatten bisher die Möglichkeit, acht „Verabreichungsplätze“ zu haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2017)

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