Wiener Märkte: Protestfrühstück gegen Gastro-Neuregelung

Protestveranstatung hinter dem Rathaus
Protestveranstatung hinter dem RathausAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Standler fürchten durch die seit Juli geltende Gastro-Neuregelung auf Wiener Märkten um Ablösen und Kundenfrequenz. Die SPÖ verteidigt die "temporäre Maßnahme zum Schutz des Lebensmittelhandels".

Die seit Juli geltende Gastro-Neuregelung auf Wiener Märkten sorgt weiterhin für Ärger und Unverständnis bei Unternehmern. Deshalb hielt eine Reihe von Standlern am Montag ein Protestfrühstück beim Rathaus ab. Sie wollen die zuständige Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) dazu bringen, die umstrittene Verordnung doch noch zurückzunehmen.

Die mittels Merkblatt verlautbarte Änderung schreibt vor, dass neuen Ständen keine sogenannten Nebenrechte mehr gewährt werden. Dabei handelt es sich um bis zu acht Verabreichungsplätze, an denen Standler ihrer Kundschaft Essen und Getränke servieren dürfen. Für bestehende Verträge ändert sich nichts, im Fall von Weitergaben an Neumieter muss der Ausschankbereich allerdings zurückgebaut werden.

Acht Sitzplätze hinter dem Rathaus

Um ihrem Unmut Luft zu machen, haben Standbetreiber von unterschiedlichen Märkten genau acht Sitzplätze am Friedrich-Schmidt-Platz hinter dem Rathaus aufgebaut, wo Spezialitäten präsentiert und kleine Imbisse zur Verkostung angeboten wurden. Ein Platz war für Sima reserviert, die man zum Gespräch eingeladen hatte. Ihr Sessel blieb allerdings leer, da die Ressortchefin derzeit urlaube, wie ihre Sprecherin mitteilte. Das habe man den Frühstücksorganisatoren im Vorfeld auch mitgeteilt.

Die Unternehmer sind jedenfalls alles andere als glücklich mit Simas Regelung. "Wir werden enteignet, was unseren Standortwert betrifft", beklagte etwa Nina Strasser, seit November Mitbetreiberin des Lebensmittelstands "Landkind" am Schwendermarkt im 15. Bezirk. Denn Stände würden nun beinahe unverkäuflich, getätigte Investitionen würden im Falle einer Weitergabe nicht mehr abgelöst. Das "Landkind" - hier werden Grundnahrungsmittel wie Linsen oder Bohnen genauso verkauft wie Spezialitäten a la eingelegte Lilienblüten - verdient mehr als die Hälfte mit der Bewirtung an den acht Verköstigungsplätzen. Dort würden viele Kunden erst neugierig auf die Produktpalette des Stands.

"Sima fährt einfach über alle Märkte drüber", ärgerte sich Mark Ruiz Hellin von der Marktkonditorei "Hüftgold" am Meidlinger Markt. Von 17 Märkten gebe es in der Stadt vielleicht zwei oder drei, wo das Problem der ausufernden Gastronomie bestehe: "Ich glaube aber nicht, dass der Meidlinger Markt eine Notbremse braucht." Im Gegenteil: Das Areal sei zuletzt erst richtig belebt worden: "Vor fünf Jahren gab es hier noch ein Drittel Leerstand, heute sind wir quasi vollvermietet." Ihn selbst betreffe die Beschränkung nicht, weil er eine herkömmliche Gastro-Lizenz habe. Aber wenn benachbarte Stände als Alternative infolge mangelnder Übernahmeinteressenten zusperrten, werde sich die Frequenz wieder deutlich verringern.

Hoffnung auf Marktordnungsnovelle 

Über eine Schließung nachgedacht hat bereits Sanela Djopo, seit sieben Jahren mit der "Fischinsel" am Volkertmarkt (Leopoldstadt) vertreten. Das war noch vor dem Sima'schen Merkblatt. "Mit nur acht Plätzen kann ich meine offenen Rechnungen nicht bezahlen", die Konkurrenz von Supermärkten sei inzwischen zu groß. Jetzt sei allerdings eine Standweitergabe undenkbar - denn: "Wer zahlt mir meine Investitionen? Das Marktamt?" Ihre Hoffnung: Dass mit der für Herbst geplante Marktordnungsnovelle mehr Verabreichungsplätze erlaubt werden.

Generell wollen die Standler neben der Rücknahme der Gastro-Sperre für Neuübernahmen auch bei dieser Novelle mitreden. Um Termine mit der Stadträtin habe man sich wiederholt bemüht - bisher ohne Erfolg, bedauerte "Landkind"-Standlerin Strasser.

Grüne "sehr überrascht"

Das neue Regelwerk muss die SPÖ freilich mit dem Koalitionspartner, den Grünen, ausverhandeln und beschließen. Der Grüne Marktsprecher Rüdiger Maresch bekräftigte heute, dass man Simas Verordnung keinesfalls befürworte und von dieser sehr überrascht worden sei, weil die Vorgangsweise nicht abgesprochen worden sei. Maresch plädiert stattdessen für längere Öffnungszeiten und liberalere Bewirtungsregeln für Wiens Märkte.

SPÖ verteidigt "temporäre Maßnahme"

Die SPÖ hat am Montag einmal mehr das Aus der Verabreichungsplätze verteidigt. Dies sei eine "temporäre Maßnahme zum Schutz des Lebensmittelhandels", meinte Gemeinderat Erich Valentin per Aussendung. Man arbeite an einer neuen Marktordnung und werde dazu Gespräche mit allen Beteiligten führen, versprach er.

"Der Lebensmittelhandel wurde auf unseren Märkten in der letzten Zeit massiv zurückgedrängt. Hier will die Stadt eingreifen und die Rahmenbedingungen für einen gesunden Lebensmittelhandel auf den Märkten sicherstellen", begründete Valentin nach einem Protestfrühstück einiger Standler das Vorgehen gegen "Fressmeilen". Es sei in den vergangenen Jahren zu einem Wildwuchs an augenscheinlichen "Gastroständen" auf den Märkten gekommen, viele Standler hätten das System unterwandert, es wurden "durch die Hintertüre" mehr Verabreichungsstände betrieben als gesetzlich erlaubt, verwies er auf die aktuelle Marktordnung. Daher habe man die "Notbremse" gezogen.

(APA)

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