Der türkische Premier Erdogan übt herbe Kritik am Schweizer Referendum.
Ankara/Genf/Rom (APA/duö). Die hitzige Debatte rund um das Ergebnis des Schweizer Referendums über Minarettneubauten geht weiter. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ortete nun in Europa eine „zunehmende rassistische und faschistische“ Haltung. Vor der Parlamentsfraktion seiner Regierungspartei AKP zeigte sich Erdo?an besorgt über das Ergebnis der Abstimmung. Islamophobie sei wie Antisemitismus ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Die Schweiz müsse daher das Verbot zurücknehmen. Ebenfalls betroffen zeigte sich der türkische Staatspräsident Abdullah Gül, der das Ergebnis der Abstimmung als „Schande“ bezeichnete. Laut UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay sei die Abstimmung „klar diskriminierend“ gewesen. Vor allem kritisierte Pillay, dass das Ergebnis nur die islamische Religion beträfe. Die Schweizer würden mit ihrer Entscheidung die Menschenrechte missachten.
Italien will auch abstimmen
In Italien kam die Entscheidung der Eidgenossen gut an: „Strenge Regeln sind im Einklang mit der Religionsfreiheit notwendig“, sagt der Mailänder Politiker Davide Boni von der Regierungspartei Lega Nord. Ermutigt vom Schweizer Ergebnis will Lega-Nord-Parteichef Umberto Bossi heute, Mittwoch, einen Gesetzesentwurf im Senat vorlegen. Künftig sollen Volksbefragungen zur Bestätigung von Gesetzen erlaubt werden. In Italien sind Volksbefragungen nämlich nur dann zugelassen, wenn Gesetze aufgehoben werden.
Bereits seit Jahren will die Lega Nord ein Bauverbot für Moscheen. Bezeichnend dafür ist etwa der Streit rund um die Mailänder Moschee. Das 20 Jahre alte Gebetshaus wurde für die 4000 Muslime zu eng. Als die Betenden ihre Gebetsteppiche auch auf der Gasse aufrollten, platzte der Lega Nord der Kragen. Sie bewirkte im September eine Schließung der Moschee. Über einen Neubau wird zurzeit noch gestritten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2009)