Passivhäuser: Von Wien bis Whistler

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Sie helfen, die Umwelt zu schützen und Energie zu sparen. Mittlerweile schätzen sie Häuslbauer, Wohnungsbesitzer – und bald auch Sportler.

Fortsetzung auf Seite I 2
Mit glühenden Herzen. So lautet das offizielle Motto der Olympischen Winterspiele 2010, die vom 12. bis 28. Februar 2010 in Vancouver stattfinden. Glühende Heizkörper werden für die meisten Athleten zwischen den Wettkämpfen auch wichtig sein, die Veranstalter rechnen mit Durchschnittstemperaturen von minus acht Grad. Aus den Schornsteinen im olympischen Dorf werden folglich jede Menge CO2-haltiger Schwaden aufsteigen. Nur das Österreich-Haus in Whistler wird nicht mitqualmen. Frieren müssen Walchhofer, Loitzl und die anderen Sportler trotzdem nicht. Denn das Österreich-Haus, das Ende November präsentiert wurde, ist ein Passivhaus.

Ökologisches Vorzeigeprojekt

Die Austrian Passive House Group (APG) hat das Gebäude in Holzmassivbauweise aus ökologischen Baumaterialien errichtet. Dabei wird unbehandeltes massives Tannenholz ohne Klebstoffe durch Holzdübel miteinander verbunden. Der Entwurf stammt von Christoph Treberspurg (Treberspurg & Partner) und orientiert sich an traditionellen Bauten in alpinen Regionen. Fenster mit Dreischeiben-Isolierverglasung, eine luft- und winddichte Konstruktion, kontrollierte Wohnraumbelüftung und Wärmerückgewinnung sowie die Nutzung von Sonneneinstrahlung und Erdwärme zum Heizen und zur Warmwasserbereitung sorgen für bis zu 90 Prozent Energieeinsparung.

„Das Projekt soll auf internationaler Ebene vorzeigen, was bei energieeffizienten Bauten schon alles möglich ist“, sagt APG-Projektkoordinator Erich Reiner. Die Bühne ist gut gewählt: Das Österreich-Haus ist Treffpunkt für Sportstars, Journalisten, Wirtschafter und Politiker sowie Sitz des ORF-Olympiastudios. Tausende Sportfans werden via TV regelmäßig in das Passivhaus schauen. „Spätestens bei den Olympischen Winterspielen 2018 sollte der Passivhausstandard auch international für die breite Masse der gängige Standard sein“, meint Reiner. Nach den Spielen wird das Haus in Kanada bleiben, nicht zuletzt, um den Bewohnern dort Lust auf mehr zu machen: Schließlich gibt es in Nordamerika bislang nur etwa 50 Passivhäuser.

Wider den Klimawandel

Zumindest in diesem Bereich ist man in Österreich viel weiter: Drei Millionen Passivhaus-Wohnquadratmeter gibt es hierzulande mittlerweile, die im Neubau und auch bei Sanierungen – Stichwort Klimaschutz und Klimawandel – dazu beitragen, Energieverbrauch und Treibhausgase zu reduzieren. Mit dieser Fläche „sparen wir jährlich bereits rund 32 Millionen Liter Heizöl gegenüber konventionellen Gebäuden“, erklärt Günter Lang, Geschäftsführer der IG Passivhaus Österreich.

Und der Gebäude werden immer mehr. Immer öfter werden auch gewerbliche Objekte(siehe auch Seite I 12) im Passivhausstandard errichtet, darüber hinaus wird auch im Bereich der Baumaterialien und -methoden getüftelt. So zum Beispiel hat Alexander Kallinger von der Baderbau GmbH im burgenländischen Horitschon ein Passivhaus errichtet, das nicht wie sonst meist üblich aus Holz, sondern aus Porenbeton (Ytong) besteht. Die Energiekennzahl des 200 Quadratmeter großen Einfamilienhauses liegt bei elf kWh pro Quadratmeter. „Es wäre sogar noch niedriger gegangen, aber dann hätten wir den Grundriss verändern müssen“, erklärt Kallinger. Auch bei der mittels Blower-Door-Test gemessenen Luftdichtheit hat das Gebäude sehr gut abgeschnitten. Nicht zuletzt, weil Wert auf qualitativ hochwertige Materialien und Genauigkeit bei der Verarbeitung gelegt wurde. „Wir haben sogar die Elektroleitungen komplett abgedichtet, damit es nicht durchzieht“, sagt Kallinger. Die Wärmeversorgung erfolgt durch eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit Außenluftvorwärmer. Zusätzlich liefert ein Solarwärmetauscher Erdwärme an das Gerät, das mit 3,5 kW die Nennheizleistung sicherstellt. Für besonders kalte Tage gibt es eine Strom-Notheizung, die kaum mehr Energie als eine Kaffeemaschine benötigt. Dass Passivhäuser wie Schuhschachteln aussehen müssen, ist mittlerweile auch überholt. Das Haus in Horitschon hat zwar ein Flachdach, aber „weil das den Bauherren gefällt, und nicht wegen der Energieffizienz“, betont Kallinger. „Wir realisieren gerade ein Haus im typischen Burgenlandstil mit einem extrem steilen Satteldach.“

Unter einem Dach

Doch nicht nur die Bewohner von Einfamilienhäusern leben hierzulande zunehmend in Passivbauten, auch Wohnanlagen entstehen immer öfter nach diesem Standard. Kürzlich wurde beispielsweise das höchste frei finanzierte Passivwohnhaus Österreichs seinen Nutzern übergeben. In Wien, im zweiten Bezirk, realisierten Bauträger Raiffeisen evolution und die Bundesimmobiliengesellschaft BIG 58 Wohnungen auf acht Geschoßen, die mittlere Gebäudehöhe beträgt 22,5 Meter. Dass das Wohnen im Passivhaus auch in der Stadt beliebt ist, zeigt sich unter anderem daran, dass diese Einheiten bereits vor der Fertigstellung allesamt Besitzer gefunden haben.

Wer das Wohngefühl im Passivhaus erleben möchte, bevor er sich festlegt, kann dies zum Beispiel in Großschönau machen, im ersten europäischen Passivhausdorf mit Möglichkeit zum Probewohnen. Und mittlerweile geht das auch in Wien. Kürzlich eröffnete das erste Null-Energie-Bilanz-Haus „Boutiquehotel Stadthalle“. Komplett mit Solaranlage, Wärmepumpe – und Passivhaushülle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2009)

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