Im ersten medialen Duell zwischen SPÖ-Chef Kern und FPÖ-Obmann Strache im Nationalratswahlkampf gaben sich beide kampflustig. Gemeinsamkeiten stritt man ab - und doch gab es sie, etwa die Kritik an ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz.
Es war das zweite Mal innerhalb von zehn Monaten, dass sich Christian Kern (SPÖ) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) medial duellierten - das erste Mal allerdings im laufenden Nationalratswahlkampf. Und das früher als geplant. Tatsächlich hätte der Bundeskanzler am Mittwochabend im ORF-Radiokulturhaus nämlich auf ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz treffen sollen. Letzterer sagte die live auf Ö1 ausgestrahlte "Klartext"-Diskussion jedoch ab (wegen des informellen EU-Außenministertreffens in Estland morgen, Donnerstag), Strache sprang ein.
War die Erstauflage des Gesprächs zwischen Kern und Strache im November 2016 amikal ausgefallen, dominierte nun die Abneigung. So warf Kern dem „Kollegen Strache“ vor, in den vergangenen Wochen „sicher viele Fässer Bier mit der ÖVP getrunken zu haben“ und „Binsenökonomie“ zu betreiben. Strache unterstellte Kern daraufhin eine mangelhafte Rechenfähigkeit und bezeichnete ihn als Schutzpatron des „rot-schwarzen Verwaltungsspecks“.
Einig in der Kritik an Kurz
Am Beginn stand dennoch die Einigkeit – und zwar in der Kritik am abwesenden Sebastian Kurz. Strache hielt es für „schade, dass der Herr ÖVP-Parteichef wieder einmal abgesagt hat und sich dieser Diskussion nicht gestellt hat.“ Das sei bezeichnend. „Man hat fast den Eindruck, er ist der teuerste Flüchtling Österreichs.“ Kern, der Regierungsmitglied sei, werde diesen aber wohl entsprechend vertreten, gab es die erste Spitze gegen den Gesprächspartner nach wenigen Sekunden. Kern gab sie zurück, indem er Strache vorwarf, mit Kurz seit Wochen an einer schwarz-blauen Koalition zu werken. Erst habe die Volkspartei den Freiheitlichen mit der Flüchtlingspolitik „alles nachgemacht“, nun würden sich die beiden Wirtschaftsprogramme derart gleichen, dass man nicht genau wisse, „wer von wem abgeschrieben hat“.
Von Moderator Klaus Webhofer darauf angesprochen, ob beide Parteien den Kampf um Platz eins bereits aufgegeben hätten, gaben sich beide betont unbeeindruckt: Umfragen lägen oft falsch, so der Tenor. Die einzige Umfrage, die zähle, sei jene am 15. Oktober, auch bekannt als Urnengang.
Zur Ansage von Kern im ORF-Sommergespräch, beim Verlust von Platz eins in die Opposition wechseln zu wollen, führte der Kanzler aus, er beschäftige sich bis zum Wahltag nur mit der Frage, wie die SPÖ gewinnen könne, alles andere werde sich danach weisen. Strache riet seinem Gesprächspartner indes zu mehr Realismus: „Sollten Sie nicht Stärkster werden, dann werden sie Geschichte sein, Herr Kern.“ Und dann, so Straches Prophezeiung weiter, werde rasch ein neuer SPÖ-Chef auf dem Plan stehen und mit der ÖVP in Verhandlungen treten – um das zu verhindern, müssten die Freiheitlichen stark genug werden.
Ob ihm Schwarz-Blau oder Rot-Blau lieber wäre, wollte der FPÖ-Chef dann aber doch nicht beantworten: „Wir wollen uns treu bleiben“, beteuerte er. Soll heißen: „Es soll mir recht sein, wenn das die Sozialdemokratie sein sollte oder die Volkspartei“, Hauptsache, am Ende fänden sich blaue Forderungen im finalen Regierungsprogramm.
Forderung nach Ehrlichkeit
Bei aller Kritik am Gegenüber, drangen dennoch Gemeinsamkeiten durch: So gab Kern dem „Kollegen Strache“ recht, dass man die Ängste der Bevölkerung in Sachen Flüchtlinge und Arbeitslosigkeit ernst nehmen müsse. Auch danach gefragt, ob der Familiennachzug für weniger schutzbedürftige Flüchtlinge weiter ausgesetzt bleiben sollte, antworteten beide mit Ja. Auf keinen gemeinsamen Nenner kamen Kern und Strache hingegen in puncto Mindestpension und Mindestlohn – zwei Forderungen, die sich in beiden Wahlprogrammen finden. Denn: „Wir wollen Steuerentlastungen“, so Strache, die SPÖ hingegen zusätzliche Steuern. Kern konterte: „Sie verteidigen die obersten zwei Prozent der Bevölkerung.“
Zuletzt verlangten beide einander mehr Ehrlichkeit ab: Von Strache damit konfrontiert, dass Kern seinen Berater Tal Silberstein erst entlassen habe, als dieser in Israel festgenommen worden sei, meinte der Kanzler: „Wir haben einen Auftragnehmer gehabt, das Vertrauen wurde enttäuscht, wir haben das beendet, es war ein Fehler.“ Aber: „Sie und Ihre Partei haben fast Kärnten versenkt. Hat sich jemals jemand von Ihnen dafür entschuldigt? Mir ist das entgangen.“ Strache entgegnete, die „ehemalige freiheitliche Parteispitze davongejagt“ zu haben.
Eine amikale Diskussion geht offenkundig anders.
Hinweis
Der "Klartext" zwischen SPÖ-Chef Christian Kern und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache fand am 6. September im ORF-Radiokulturhaus statt und wurde ab 18:30 Uhr auf Ö1 übertragen. Auf ORF III wurde die Aufzeichnung um 20.15 Uhr ausgestrahlt.