Die Kehrtwende des Donald Trump

US-Präsident Donald Trump steht auf dem Rückflug von Florida Journalisten an Bord der Air Force One Rede und Antwort.
US-Präsident Donald Trump steht auf dem Rückflug von Florida Journalisten an Bord der Air Force One Rede und Antwort.(c) APA/AFP/BRENDAN SMIALOWSKI (BRENDAN SMIALOWSKI)
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Stramm Rechte wenden sich angewidert vom Präsidenten ab. Auf einmal sucht Trump den Konsens in der Mitte. Der Opportunist holt sich seine Erfolge, wo er sie kriegen kann.

Washington. Eine Woche ist eine lange Zeit in der Politik, besonders, wenn der US-Präsident Donald Trump heißt. Innerhalb weniger Tage hat sich der 71-jährige Populist mehrmals über seine eigenen Wahlkampfversprechen und über die Grundsätze seiner republikanischen Partei hinweggesetzt. Konservative Trump-Anhänger erkennen ihren Donald nicht mehr wieder. Am Ende dieser erstaunlichen Woche fordern bisher unerbittliche Trump-Anhänger wie die prominente Kommentatorin Ann Coulter die Amtsenthebung des Präsidenten und werfen ihm vor, ein Wendehals zu sein. Doch die Frage lautet: Hat Trump vor dem Politbetrieb in Washington kapituliert, wie Kritiker sagen – oder demonstrieren die raschen Positionswechsel nur die wahre Natur des Opportunisten im Weißen Haus?

Bei gleich drei Gelegenheiten hat Trump die eigenen Leute vor den Kopf gestoßen. Zuerst einigte er sich mit den oppositionellen Demokraten auf Milliardenhilfen für die Opfer der jüngsten Wirbelstürme und auf eine Anhebung der Schuldenobergrenze. Einwände der Republikaner ignorierte er. Wenig später traf sich Trump erneut mit den Demokraten und versprach ihnen, bei der angestrebten Steuerreform werde es keine Entlastungen für die Reichen geben – bis dahin deutete alles darauf hin, dass Trump genau das wollte. Jetzt erklärte er, dass die Superreichen künftig nicht weniger, sondern möglicherweise mehr zahlen müssen als bisher.

Die dritte Einigung mit den Demokraten ist die bisher spektakulärste: Obwohl Trump erst kürzlich den Abschiebeschutz für 800.000 Kinder illegaler Einwanderer aufgehoben hatte, erzielte er mit der Opposition jetzt einen Grundsatzbeschluss über die weitere Duldung der sogenannten Dreamers. Dieser Einigung opfert Trump sogar sein Lieblingsprojekt, das Demokraten strikt ablehnen: Die Mauer an der Grenze zu Mexiko soll erst später gebaut werden. Im Wahlkampf hatte Trump seine rechten Anhänger mit dem Versprechen eines rigorosen Vorgehens gegen die Dreamers und eines raschen Baus der Mauer begeistert.

Viel schlimmer als die jetzige Verständigung des Präsidenten mit den Demokraten kann es für eingefleischte Trump-Fans also kaum kommen. Unter dem Eindruck der Kritik aus der rechten Ecke betonte Trump zwar, ohne Mauer werde es keine Zustimmung zu Absprachen geben. Der Bau der Mauer werde sich nur etwas verzögern, unterstrich der Präsident.

Doch es war zu spät, um seine Anhänger zu beruhigen. In sozialen Medien sagten sich Trump-Wähler öffentlich von ihrem Idol los und veröffentlichten Fotos, auf denen zu sehen war, wie sie ihre Trump-Jacken in den Müll werfen oder ihre Baseballkappen mit Trumps Wahlkampfmotto „Make America Great Again“ verbrennen. Die rechtspopulistische Website Breitbart News berichtete, die Angehörigen von Menschen, die von illegalen Einwanderern ermordet wurden, seien entsetzt über Trump. Ein Breitbart-Mitarbeiter sagte der „Washington Post“, Trump habe einen „Verrat der höchsten Ordnung“ begangen. „Amnesty Don“ heißt Trump jetzt bei Breitbart.

Vom „Sumpf“ verschluckt

Coulter und andere rechtskonservative Intellektuelle sind überzeugt, dass der „Sumpf“ des Establishments in Washington Trump geschluckt und auf Linie gebracht hat. Doch möglicherweise hat sich die amerikanische Rechte ein falsches Bild von Trump gemacht und in ihm einen Vorkämpfer ihrer Werte gesehen, der er nicht ist. Der Immobilienunternehmer und Fernsehstar tut das, was ihm erfolgversprechend erscheint – das Ergebnis ist ein Zickzackkurs, wie ihn die USA noch nicht gesehen haben.

Erneut hat Trump in den vergangenen Tagen rechtsradikale Gewalttäter und Gegendemonstranten auf eine Stufe gestellt. Am Freitag bekräftigte er angesichts des neuen Terroranschlags in London seinen Ruf nach scharfen Einreiseverboten, um rechtsgerichteten Anhängern zu gefallen. Wenige Stunden zuvor hatte er eine Kongressresolution gegen Rassismus unterzeichnet und sich bereiterklärt, Dreamers zu schonen und den Bau der Mauer zu verschieben.

Von Zynismus spricht der konservative Trump-Kritiker Bill Kristol, doch Trump würde es Realismus nennen. Beim Thema Einwanderung dürfte er erkannt haben, dass die Rolle des Präsidenten Gnadenlos nur bei einer Minderheit ankommt, von den meisten Amerikanern aber abgelehnt wird. Laut Umfragen sind drei von vier Wählern dafür, den Dreamers ein Bleiberecht zu geben. Nur zwölf Prozent wollen die Abschiebung.

Einige Beobachter wollen bei Trump eine neue Strategie erkannt haben: Da der Präsident mit der republikanischen Kongressmehrheit mehrmals Schiffbruch erlitten habe, wolle er nun mit überparteilichen Ansätzen möglichst viel von seinen Vorstellungen durchsetzen. Dazu gehört ein Geben und Nehmen – die traditionelle Art, in Washington Politik zu machen. Kein Wunder, dass Breitbart entsetzt ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2017)

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