Tschechien: Der Milliardär am Staatsruder

Die Regierungsbildung dürfte für Wahlsieger Andrej Babiš vorerst schwierig sein. In Sebastian Kurz sieht er einen Alliierten.
Die Regierungsbildung dürfte für Wahlsieger Andrej Babiš vorerst schwierig sein. In Sebastian Kurz sieht er einen Alliierten.(c) REUTERS (DAVID W CERNY)
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Der klare Sieger der Parlamentswahl, Andrej Babiš, lud andere Parteichefs zu ersten Treffen für eine Regierungsbildung ein. Kaum einer der größeren Parteien will mit ihm koalieren.

Prag. In Tschechien haben am Sonntag erste Sondierungsgespräche nach der Parlamentswahl von Freitag und Samstag begonnen, bei der die rechte Protestbewegung ANO („Ja“) des Unternehmers und Milliardärs Andrej Babiš klar gewonnen hatte. Babiš, der in der kleinteiligen tschechischen Parteienlandschaft mit 29,6 Prozent klar vor der Demokratischen Bürgerpartei (11,3 Prozent) und den „Piraten“ (10,8%) liegt, gratulierte schon am Samstag den Chefs aller Parteien, die den Einzug ins Abgeordnetenhaus geschafft hatten, und bot ihnen Gespräche an.

Die Sozialdemokraten, die bisher den Regierungschef gestellt hatten, waren katastrophal um 13 Prozentpunkte auf nur noch 7,3 Prozent abgestürzt.

Staatspräsident Miloš Zeman (73) ließ am Sonntag verlauten, dass er Babiš (63), der aus Bratislava in der Slowakei stammt, mit der Regierungsbildung beauftragen werde. Berichten zufolge soll es schon heute Montag ein Treffen zwischen den beiden auf dem Landsitz des Präsidenten, dem mittelböhmischen Schloss Lany, geben. Zeman nahm den Wahlsieger zugleich vor unschmeichelhaften Gleichsetzungen mit Populisten und Self-Made-Politikern wie Donald Trump oder Silvio Berlusconi in Schutz: Babiš sei „kein Populist, sondern ein Pragmatiker“.

„Waterloo“ für die Linke

Aus der ANO-Zentrale hieß es, man würde die Fortführung der Koalition mit den Sozialdemokraten und der christdemokratischen Volkspartei (KDU-ČSL) bevorzugen. Allerdings betonten diese, sie wollten das nicht tun, falls Babiš selbst dem Kabinett angehören sollte. Grund dafür ist ein laufendes Strafverfahren gegen Babiš, der unter anderem Chemie- und Lebensmittelfirmen besitzt, wegen angeblichen EU-Subventionsbetrugs.

Verteidigungsminister Martin Stropnicky von ANO interpretierte die Haltung der Sozialdemokraten als Folge der Enttäuschung, weil die Wahl ein „Waterloo“ für diese gewesen sei. Indes hat auch die konservative Demokratische Bürgerpartei (ODS), die Rang zwei errang, eine Koalition mit ANO – mit oder ohne Babiš in der Regierung – ausgeschlossen. Man werde nicht einmal ein ANO-Minderheitskabinett dulden.

Sebastian Kurz als Verbündeter

Die Ermittlungen gegen Babiš stellen also ein ernstes Hindernis für die Regierungsbildung dar, zumal Babiš selbst Ministerpräsident werden will. Spekulationen, wonach ein anderer ANO-Politiker nominiert werden könnte, wies ANO zurück. Die Sieger können aber darauf hoffen, dass es in einigen Parteien, gerade bei den Sozialdemokraten, zu einem Köpferollen, und damit einer Haltungsänderung, kommen könnte.

Die liberale Fraktion des EU-Parlaments ALDE (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa) freute sich unterdessen über den „Erdrutschsieg“ von ANO. Die liberal-populistische Partei ist Mitglied der ALDE-Fraktion.

Babiš sieht in der künftigen, von Sebastian Kurz angeführten österreichischen Regierung einen Verbündeten. Er werde bei anderen EU-Staaten um Unterstützung für seinen Anti-Immigrationskurs werben, sagte er, und sich mit seinen Initiativen nicht auf die Gruppe der immigrationsskeptischen Visegrád-Staaten (neben Tschechien noch Ungarn, Polen, die Slowakei) beschränken. Mit Sebastian Kurz (ÖVP) habe man dabei sicher schon einen Verbündeten, sagte Babiš am Samstag. Dieser vertrete mit Blick auf die Zuwanderungspolitik die gleiche Haltung wie er selbst. Und: „Die Visegrád-Gruppe braucht weitere Verbündete, wir brauchen Österreich und andere Staaten, auf dem Balkan, etwa Slowenien, Kroatien, oder vielleicht andere.“

„Leeres Politikergequatsche“

Babiš führt als sein Verdienst oft an, dass er mehr als 34.000 Menschen beschäftige und zu Tschechiens größten Steuerzahlern gehöre. Sein Imperium erstreckt sich bis in die Slowakei, Deutschland, Ungarn und die Niederlande. Sein Motto lautet, dass der „Staat als Firma geführt“ werden müsse. Kritiker warnen, dass er die Demokratie gefährden könne.

„Wenn ich sterbe, wird nach mir zumindest etwas bleiben. Aber nach unseren Politikern bleibt nur leeres Gequatsche“, spottet Babiš umgekehrt. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2017)

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