Der tschechische Wahlsieger kündigte an, notfalls eine Minderheitsregierung mit Experten zu bilden. Präsident Zeman unterstützt Babis, der von den anderen Parteien boykottiert wird.
Der Chef der tschechischen Protestbewegung ANO, Andrej Babis, hat am Freitag angekündigt, eine Minderheitsregierung zu bilden, in der neben den Ministern seiner Protestpartei ANO auch parteilose Experten vertreten wären, wie der Nachrichtenserver "iDnes.cz" am Freitag berichtete.
Damit reagierte Babis, dessen Partei die Parlamentswahlen am vergangenen Wochenende klar gewonnen hatte, auf die Ablehnung praktisch aller anderen Parteien, mit ANO eine Koalition zu bilden.
"Wenn wir überall abgelehnt werden, dann versuchen wir eine Minderheitsregierung", so Babis. Er wolle ein Programm vorlegen, dass "zum Teil auch das Programm aller Parteien erfüllt", erklärte Babis weiter. Welche Parteien dieses Minderheitskabinett dulden würden, davon habe der ANO-Chef "noch keine Vorstellung".
Zweite Verhandlungsrunde
Im Hinblick auf die nächste Woche, in der Babis den Auftrag zur Regierungsbildung von Staatspräsident Milos Zeman erhalten soll, kündigte Babis eine zweite Runde der Gespräche mit den anderen Parteien an. Das gelte allerdings nicht für die liberal-konservative TOP 09 und die Bürgermeisterpartei (STAN). Babis begründete dies mit den Worten: "Sie haben nur eine minimale Zahl an Abgeordneten und verhalten sich uns gegenüber feindlich."
Staatspräsident Zeman ist entschlossen Babis wiederholt zum Premier zu ernennen, sollte dieser bei einer Vertrauensabstimmung scheitern. Dem Chef der zweitplatzierten Demokratischen Bürgerpartei (ODS), Petr Fiala, würde Zeman keinen Auftrag erteilen, bestätigte Zeman am Donnerstagabend im Interview mit dem TV-Sender "Barrandov".
Zeman: "Bin kein Narr und kann rechnen"
"Petr Fiala hat elf Prozent der Stimmen, aber Andrej Babis 30 Prozent. Ich bin kein Narr und kann rechnen. In der Politik ist es nicht häufig, aber man sollte den Sieger respektieren", sagte Zeman. Der Staatschef fügte hinzu, er werde das respektieren, was ihm Babis anbietet, auch wenn es eine Mehrheits- oder Minderheitskoalition mit der islamfeindlichen Partei "Freiheit und direkte Demokratie (SPD)" von Tomio Okamura sein sollte.
Da der Staatspräsident für den zweiten Auftrag keine Zeitfrist hat, könnte eine eventuelle Regierung Babis monatelang auch ohne Vertrauen in Demission regieren. Das war etwa der Fall der Übergangsregierung von Jiri Rusnok 2013-2014.
Zeman übt so offenbar Druck auf die anderen Parteien aus, die eine Koalition mit ANO ablehnen, weil Babis von der Polizei wegen angeblichen EU-Subventionsbetrugs strafrechtlich ermittelt wird. Dies behaupten praktisch alle Parteien, die den Einzug ins Parlament geschafft haben.
Drei Versuche zur Regierung
Sollte auch der zweite Versuch scheitern, gibt es noch einen dritten und letzten Versuch, wobei den Auftrag diesmal nicht mehr der Staatschef, sondern der Chef des Abgeordnetenhauses erteilen würde. Da der ANO-Politiker Radek Vondracek gute Aussichten hat, diese Position einzunehmen, würde Babis auch zum dritten Mal den Auftrag erhalten. Sollte auch der dritte Versuch scheitern, müsste es Neuwahlen geben.
Eventuelle Neuwahlen würde Babis allerdings noch höher gewinnen als jetzt, weil die anderen Parteien die "Bildung einer funktionierenden Regierung sabotierten", meint zumindest Präsident Zeman.
(APA)