Viele Tschechen stört es, sollte der unter Betrugsverdacht stehende Wahlsieger Premier werden.
Prag. Nach dem Sieg der rechtspopulistischen Partei ANO („Ja“) des Unternehmers Andrej Babiš bei der vorwöchigen Parlamentswahl ergibt eine Umfrage des Institutes Median, dass 46 Prozent der Tschechen mit dem Ergebnis unzufrieden seien. Sie fürchteten zwar nicht um die Demokratie im Land, von dem der Milliardär Babiš mehrfach gesagt hatte, er würde es „wie eine Firma führen“: Grund der Unzufriedenheit ist laut Umfrage, dass es viele stört, sollte ein aktuell strafrechtlich verfolgter Mann der neuen Regierung vorsitzen.
Die ANO bekam in der zersplitterten Parteienlandschaft 29,6 Prozent und liegt weit vor der zweitgereihten Demokratischen Bürgerpartei ODS (11,3 %) und den Piraten (10,8 %) auf Platz drei. Gegen Babiš und seinen Vize, Jaroslav Faltýnek, wird wegen Verdachts auf EU-Subventionsbetrug ermittelt. Das Parlament hatte ihre Immunität im September gekippt. Nun erhalten sie sie zurück, die Ermittlungen wurden unterbrochen, auch, weil Präsident Miloš Zeman Babis den Regierungsbildungsauftrag geben wird. Beide wollten gestern, Montag, auf dem Landsitz des Präsidenten, Schloss Lany, zusammenkommen.
Zustrom vor allem von Links
Die Mehrheit der Tschechen erwartet indes eine Verbesserung der Wirtschaftslage ihres Landes, 43 Prozent glauben, dass sich dessen internationale Position verbessen werde, doch meinen nicht weniger als 57 Prozent, dass sich das innenpolitische Klima verschlechtere. Die meisten der noch nennenswert großen anderen Parteien wollen keine Koalition mit der ANO oder eine unter Führung von Babiš als Premier.
Die ANO bekam Zustrom vor allem aus dem linken Lager, besagt eine Analyse. So seien von den Sozialdemokraten und Kommunisten je ein Drittel bzw. ein Viertel der früheren Wähler zur rechten ANO gewechselt. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2017)