Der Präsident übt den heiklen Spagat zwischen Terrorabwehr und Bürgerrechten. Zentraler Punkt für eine Vorbeugung gegen Attentate sei allerdings die Arbeit der Geheimdienste, machte Obama deutlich.
WASHINGTON. Eben noch hatte der Präsident im Weißen Haus mit Leichenbittermiene davon gesprochen, dass er bei allen Vorsichtsmaßnahmen gegen den Terrorismus nicht bereit sei, die Werte einer offenen Gesellschaft zu opfern. „Wir werden uns nicht einer Belagerungsmentalität unterwerfen“, gelobte Barack Obama feierlich bei seiner zweiten Stellungnahme innerhalb weniger Tage zum vereitelten Anschlag am Christtag, der die US-Sicherheitsbehörden über die Feiertage in helle Aufregung versetzt hatte.
Der Kontrapunkt ließ nicht lange auf sich warten. Kurz darauf flimmerte bereits das Video über die Bildschirme, das am Sonntag auf dem Flughafen Newark Panik, stundenlanges Chaos und die Streichung von Flügen hervorgerufen hatte. Die Aufnahme eines küssenden Paares sorgte für eine gewisse Heiterkeit. Ein Mann war unter die Absperrung geschlüpft, um seine Frau zu umarmen – und danach spurlos zu entschwinden. Der zuständige Sicherheitsbeamte hatte sich von seinem Posten entfernt, aber ein Augenzeuge machte auf den Vorfall aufmerksam und löste so den Alarm aus.
Flugsheriffs und Scanner
Die Irritationen auf den US-Flughäfen dürften aber erst so richtig beginnen. Obama versprach in seiner Ansprache mehr Personal und mehr Kontrollen, um die Terrorgefahr zu bannen. Auf internationalen Flügen sollen mehr Air Marshals – quasi „Flugsheriffs“ – zum Einsatz kommen, auf den Flughäfen sollen Hightechgeräte wie Körperscanner Anschlagsvorhaben im Keim ersticken. Heimatschutzministerin Janet Napolitano will sich bei einem Europa-Besuch demnächst für verstärkte Sicherheitsmaßnahmen starkmachen.
Zentraler Punkt für eine Vorbeugung gegen Attentate sei allerdings die Arbeit der Geheimdienste, machte Obama deutlich. Erneut wies er auf deren Versagen hin, die Hinweise auf den Attentäter Umar Faruk Abdulmutallab zusammenzuführen. Als Prämisse gab er vor: „Wir müssen unserem Gegner einen Schritt voraus sein.“ Und diesen Gegner benannte er so eindeutig wie nie: „Wir stehen im Krieg mit al-Qaida.“ Spitzenbeamte haben eingestanden, die Bedrohung durch al-Qaida im Jemen unterschätzt zu haben.
Klare Kompetenzen
Der Präsident verlangte eine Verbesserung der internen Kommunikation. Darüber hinaus sollen die Kompetenzen der Geheimdiensten klar geregelt werden. Auf eine Suche nach einem Sündenbock wollte sich Obama öffentlich nicht einlassen. Demonstrativ stärkte er trotz aller Kritik stattdessen seinen Beamten den Rücken. „Wenn das System versagt, liegt letztlich die Verantwortung bei mir.“ John Brennan, der für die Terrorabwehr zuständige Sicherheitsberater, entschuldigte sich dennoch explizit bei Obama: „Ich habe den Präsidenten im Stich gelassen.
Obama war nach den Vorwürfen der Opposition in die Offensive gegangen. Die Republikaner hatten ihm Führungsschwäche im Kampf gegen den Terror angelastet und angekreidet, er sei zu sehr von anderen Themen – der Wirtschaft und der Gesundheitsreform – abgelenkt. Zu Beginn eines wichtigen Wahljahres wollte der Präsident seine Handlungsfähigkeit signalisieren und den unbequemen Fragen bei den Kongress-Hearings zuvorkommen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2010)