Leitartikel

Auch Österreich profitiert vom heimischen EU-Nettobeitrag

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Österreichs Nettobeitrag zum EU-Budget wird nach dem Brexit wohl weiter ansteigen. Unter dem Strich ist das aber nach wie vor ein Geschäft für das Land.

Der Brexit wird teuer. Das müssen nicht nur die Briten realisieren, die sich mit stetig schlechter werdenden Prognosen für ihr Wirtschaftswachstum anfreunden dürfen. Auch für die anderen EU-Länder führt der Austritt des wichtigen Nettozahlers dazu, dass die Rechnung künftig auf weniger Köpfe aufgeteilt werden muss. Schließlich steuerte London bislang rund 17Milliarden Euro zum Unionsbudget bei und erhielt nur rund ein Drittel davon wieder zurück. Das EU-Budget wird sich daher künftig verändern müssen. Und dafür gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder zahlen die anderen Nettozahler mehr ein. Eine unpopuläre und daher eher unwahrscheinliche Option. Oder das Budget der Union sinkt.

Unter dem Strich führt das jedoch zum gleichen Ergebnis. Denn die Folge eines geringeren EU-Budgets ist, dass auch weniger Förderungen ausbezahlt werden. Und wie Berechnungen der Kommission zeigen, heißt das vor allem, dass die reicheren EU-Staaten des Nordens und Westens weniger Geld bekommen werden. Denn es ist ja auch logisch, dass Strukturförderungen vor allem in strukturschwachen Regionen benötigt werden. Und diese findet man im Süden und vor allem im Osten des Kontinents. Der Beitrag der Nettozahler wird also höher ausfallen. Das trifft auch auf Österreich zu, das jährlich 1,3 Milliarden Euro netto zahlt. Dieser Betrag könnte um mehrere Hundert Millionen Euro ansteigen.


Daran werden auch die deutschen Pläne nichts ändern, wonach die Förderungen ab dem 2020 beginnenden nächsten Finanzrahmen nicht mehr in jedem Fall uneingeschränkt fließen sollen. Konkret wollen die Deutschen, dass Zahlungen reduziert werden können, wenn Länder Reformen vernachlässigen oder europäische Grundwerte missachtet werden – etwa die Unabhängigkeit der Justiz.

Vom EU-Kommissionspräsidenten wurde dieser Vorschlag zwar bereits als „Gift für Europa“ zurückgewiesen. Ganz wird sich die Union dieser Debatte aber nicht entziehen können. So ist der deutsche Vorstoß ja auch durchaus berechtigt, wenn es nicht um ein arrogantes „Wer zahlt, schafft an“ geht, sondern um ein grundsätzliches Mitspracherecht der Zahler, wenn es um die Verwendung des von ihnen bereitgestellten Geldes geht.

In diesem Zusammenhang wird wohl auch die Flüchtlingsthematik wieder auf die politische Agenda kommen. Auch hier könnte es künftig eine Umleitung von EU-Geldern von Ost nach West geben. Nicht, um osteuropäische Länder zu bestrafen. Sondern einfach deshalb, weil durch die fehlende Aufnahme von Migranten im Osten in den westeuropäischen Ländern höhere Kosten entstehen und sich Osteuropa zumindest für diesen Teil der Bürde solidarisch zeigen sollte.


Unter dem Strich wird der prozentuelle Anteil Osteuropas an den Förderungen aber ansteigen und jener Österreichs sinken. Das mag für manche ärgerlich sein, bringt indirekt aber durchaus auch für Österreich Vorteile. Denn das Geld wird in den östlichen EU-Staaten – anders als der größte Teil der EU-Subventionen: die Agrarförderung – ja nicht verjausnet, sondern in handfeste Infrastruktur wie Straßen, Brücken oder Glasfaserkabel investiert. Und davon profitieren auch die Einwohner der netto zahlenden Länder.

Sichtbar wird das, wenn diese etwa nach Kroatien auf Urlaub fahren und heute bis knapp vor ihren Urlaubsort eine neue, schöne Autobahn vorfinden. Wesentlich wichtiger ist jedoch, dass durch solche Autobahnen eine wirtschaftliche Dynamik in den Ländern ermöglicht wird, von der auch heimische Firmen profitieren. So ist Österreich nach Deutschland und Holland der drittwichtigste Investor in Osteuropa. Und die Tausenden dort geschaffenen Jobs sichern Tausende Arbeitsplätze in den Firmenzentralen in Österreich.

Laut einer Studie des IHS wuchs Österreich seit dem EU-Beitritt um 0,5 Prozent pro Jahr stärker als zuvor. Der heimische Nettobeitrag entspricht indes nur etwas mehr als 0,3 Prozent des BIPs. Die Mitgliedschaft in der EU ist also teuer und wird künftig noch etwas teurer werden. Sie ist es aber auch wert.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2017)

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