Russland will Truppen aus Syrien abziehen

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Bis Jahresende soll ein Großteil russischer Soldaten das Bürgerkriegsland verlassen. Auch die USA ziehen mehr als 400 Soldaten aus Syrien ab.

Russland bereitet nach eigenen Angaben den Abzug seiner Truppen aus Syrien vor. "Die Vorbereitungen laufen", zitierte die Nachrichtenagentur RIA am Donnerstag den Sekretär des Russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patrutschow.

Generalstabschef Waleri Gerassimow hatte vor einer Woche angekündigt, Russland dürfte einen großen Teil seiner Soldaten aus dem Bürgerkriegsland abziehen. Damit könne bis Ende des Jahres begonnen werden. Vermutlich werde Russland jedoch unter anderem mit zwei Stützpunkten im Land präsent bleiben. Russland unterhält im Hafen von Tarsus einen Marinestützpunkt sowie die Hmeymim Luftwaffenbasis in Latakia.

Die Regierung in Moskau ist mit dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad verbündet. Insbesondere die russische Luftwaffe hat zu den jüngsten Erfolgen der Regierungstruppen gegen Rebellengruppen und der Extremistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) entscheidend beigetragen

801 Zivilisten seit 2014 bei US-geführten Luftschlägen getötet

Auch die USA ziehen mehr als einen Monat nach der Eroberung der nordsyrischen IS-Hochburg Raqqa mehr als 400 Soldaten aus dem Land ab. Die Marines hätten lokale Verbündete im Kampf gegen den IS in Raqqa mit Artillerie unterstützt, teilte die von den USA angeführte Anti-IS-Koalition am Donnerstag mit. Ihr jetzt befohlener Abzug sei "ein Zeichen für wirklichen Fortschritt in der Region".

Von der Kurdenmiliz YPG angeführte Bodentruppen hatten Raqqa Mitte Oktober nach monatelangen Kämpfen eingenommen. Die USA stehen an der Spitze einer internationalen Koalition, die lokale Einheiten unterstützt, unter anderem mit Luftangriffen. Die militärische Hilfe für die YPG löste Spannungen zwischen den USA und der Türkei aus. Die türkische Regierung sieht in der Kurdenmiliz den syrischen Ableger der verbotenen Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und bekämpft sie. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte vor einer Woche erklärt, US-Präsident Donald Trump habe der Türkei ein Ende der US-Waffenlieferungen für die YPG zugesagt.

Bei Luftangriffen auf den "Islamischen Staat" im Irak und in Syrien sind nach Angaben der US-geführten Koalition seit 2014 mindestens 801 Zivilisten getötet worden. Die am Donnerstag veröffentlichte Zahl liegt deutlich unter den Angaben von Beobachtergruppen: Airwars geht zum Beispiel von mindestens 5.961 getöteten Zivilisten aus. "Wir stehen weiter zu der Verantwortung für Handlungen, bei denen unbeabsichtigt Zivilisten getötet oder verletzt worden sein könnten", hieß es in dem Bericht. Untersucht würden weitere 695 mögliche Fälle von August 2014 bis Oktober 2017. In diesem Zeitraum seien mehr als 28.000 Angriffe auf IS-Ziele geflogen worden.

UNO: Unerträgliches Leid in Ost-Ghouta

Die Vereinten Nationen haben unterdessen die belagerte Rebellenenklave Ost-Ghouta in Syrien zum "humanitären Notfall" erklärt. Das Leid der 400.000 Zivilisten in der Vorstadt von Damaskus sei unerträglich, sagte UNO-Nothilfekoordinator Jan Egeland am Donnerstag in Genf. Nur wenige Tausend Menschen hätten unter größten Mühen und Gefahren versorgt werden können.

Bereits neun Kinder seien in Ost-Ghouta gestorben, 500 Menschen, darunter Verletzte und Kinder, schwebten wegen Unterernährung und fehlender Behandlung in Lebensgefahr. Er rief zu deren Evakuierung auf. "Wir sind frustriert, wütend und schockiert", sagte Egeland an die Adresse der Kriegsparteien. Insgesamt müssten aus medizinischen Gründen auch 167 Kinder in Sicherheit gebracht werden. Seit Monaten warte man auf die Erlaubnis der syrischen Regierung, die Kranken und Verletzten in Krankenhäuser zu bringen, die mit dem Auto 45 Minuten entfernt seien.

UNO will Schwung in Syrien-Verhandlungen bringen

In Genf verhandeln aktuell die syrischen Konfliktgegner über Wege zur Beilegung des Konflikts. Die Aussichten auf eine baldige Friedenslösung für Syrien nach fast sieben Jahren Bürgerkrieg sind gering. Die sieben vorausgegangenen Verhandlungsrunden in Genf hatten keine Annäherung gebracht. Während die Hilfe für Menschen in den von der Regierung kontrollierten Gebieten meist klappe, sei der Zugang über die Kampflinien hinweg äußerst schwierig, sagte Egeland. Die Kämpfe hätten allein im Oktober 440.000 Menschen aus ihrer Heimat in andere Gebiete Syriens vertrieben. Dies übersteige die Zahl der Rückkehrer um etwa das Dreifache.

Am Wochenende verstärkten die syrischen Truppen mit russischer Unterstützung die Angriffe auf Ost-Ghouta. Der Vorort ist eines von mehreren Gebieten, die zu "De-Eskalationszonen" erklärt wurden. Die Armee hat die Region seit 2012 abgeriegelt. Seither gelangen dorthin kaum Nahrungsmittel, und die Bevölkerung muss nach Angaben des UNO-Welternährungsprogramms (WFP) hungern. Vor rund zwei Wochen begann die Armee mit russischer Luftunterstützung eine Offensive gegen Ost-Ghouta. Rebellen beschossen von dem Vorort aus in dieser Zeit auch immer wieder die Hauptstadt. "In dieser De-Eskalationszone gibt es nur Eskalation", schilderte Egeland die Lage an Ort und Stelle.

(APA/Reuters/dpa/AFP)

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