Tag 2: Marodierende Gangs und zerstörte Slums

Livebericht Mit einem Taxi-Lenker als Führer macht sich "Presse"-Reporter Stefan Riecher in das Viertel Dessaline auf - 90 Prozent der Häuser sind zerstört. Langsam laufen die Hilfslieferungen an.

Samstag, 10:40 Uhr MEZ (4:40 Ortszeit)

Es ist tief in der Nacht im zerstörten Port-au-Prince. Ich bin ganz in der Nähe des Flughafens, ab und zu hört man Helikopter abheben. Ein gutes Zeichen, denn im Gegensatz zur vergangenen Nacht gibt es jetzt deutlich mehr Flugverkehr. Es scheint, als ob die Hilfsmaßnahmen (sehr langsam) in Gang kommen.

Ich lege mich total erschöpft nieder und werde versuchen, ein paar Stunden zu schlafen.

Freitag, 22:00 Uhr MEZ (16:00 Ortszeit)

Endlich machen sich drei UN-Panzer vom Flughafen Richtung Innenstadt auf. Sie sind mit jeweils etwa 20 bis auf die Zähne bewaffneten Soldaten besetzt. Bis in die Slums ist es aber ein weiter Weg. Es bleibt zu hoffen, dass sie von der wütenden Meute hier nicht überrannt werden.

Denn in Teilen der Stadt regieren mittlerweile die Gangs, es herrscht Faustrecht. Dutzende Leichen liegen mitten auf der Straße. Möglicherweise wurden sie von den Plünderern positioniert, um die Sicherheitskräfte aufzuhalten. Die UN-Helfer müssen eine harte Entscheidung treffen - entweder sie fahren mit ihren Panzern mit Vollgas über die teils schon verwesten Leichen. Oder sie schaffen sie beiseite - und verlieren wieder wertvolle Zeit, ehe sie zu den Überlebenden durchkommen.

Freitag, 18:15 Uhr MEZ (12:15 Ortszeit)

Rund 90 Prozent aller Häuser im Viertel "Dessalines" sind zerstört. Mittlerweile sieht man nur noch Gangs, die mit Stöcken bewaffnet plündernd durch die Straßen ziehen. Von der UN oder anderen Hilfsorganisationen ist nichts zu sehen.

Auf einem Straßenabschnitt von gut einem Kilometer sah ich nur einen schwer bewaffneten Polizisten. Er erzählte, dass ein großer Teil seiner Kollegen tot ist.

Freitag, 14:45 Uhr MEZ (8:45 Ortszeit)

Per Taxi fahre ich wieder in die Slums, die am schlimmsten betroffenen Gebiete der Stadt (Hauptstadt Port-au-Prince; Anm.). Gestern war die Verwüstung groß, die Lage furchtbar. Aber die Überlebenden waren nett und friedlich. Ich fürchte, das könnte sich schnell ändern, wenn die Hilfskräfte nicht bald Wasser und Nahrung bringen.

Unseren Taxifahrer nennen wir übrigens "Fixer". So nennen Journalisten in Krisengebieten lokale Guides, die sie gegen Bezahlung herumführen. Ihnen muss man vertrauen, es gibt keine andere Wahl.

Freitag, 13 Uhr Uhr MEZ (7 Uhr Ortszeit): 

Gemeinsam mit zwei anderen Journalisten habe ich nach Mitternacht doch noch ein kleines Zimmer Im Hotel ergattert. Um 5 Uhr früh riss uns ein Nachbeben aus dem Schlaf. Ich sprang auf, lief zur Tür. Nach wenigen Sekunden war es vorbei. Schlafen konnte ich nachher nicht mehr.

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