„Wir reden von Gefahr eines Atomkrieges“

Ban Ki-moon und Heinz Fischer sind seit Jahren befreundet. Nun haben sie in Wien auch ein Forum gegründet, in dem sie über die Probleme in der Welt sprechen.
Ban Ki-moon und Heinz Fischer sind seit Jahren befreundet. Nun haben sie in Wien auch ein Forum gegründet, in dem sie über die Probleme in der Welt sprechen.(c) Mirjam Reither
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Ban Ki-moon und Heinz Fischer über die Krisen in der Welt und die Rolle der UNO. Über das unvergleichbare Regime in Nordkorea und die zarte Hoffnung auf eine Annäherung, die Proteste im Iran und den Mangel an globalen Führern.

Die Presse: Herr Generalsekretär, Sind Sie angesichts der Krisen und Konflikten in der Welt und der Kürzung des UN–Budgets durch die USA eigentlich froh, dass Sie nicht mehr im Amt sind?

Ban Ki-moon: Als ich 2007 mein Amt als UN-Generalsekretär übernommen habe, habe ich mir fest vorgenommen, die Welt besser zu machen. Nach zehn Jahren kann ich leider nicht sagen, dass wir in einer besseren Welt leben. Das ist auch eine persönliche Enttäuschung. Wie mein Anteil ausfällt, müssen Historiker beurteilen.

Was ist das Grundübel für die Lage, in der die Welt ist?

Ban: Der Mangel an globaler Vision bei den führenden Politikern ist an der turbulenten Lage schuld. Wenn sie ins UN-Hauptquartier kommen, erklären sie alle, sie treten für den Frieden in der Welt ein. Wenn sie wieder zu Hause sind, werden sie Geiseln der innenpolitischen Agenda. Es gibt leider nur wenige Führer mit einer globalen Vision. Darum haben Heinz Fischer und ich überlegt, wie wir ein Weltbürgertum unterstützen und fördern können.

In Ihrem Heimatland zeichnet sich eine Annäherung zwischen dem Norden und dem Süden ab, ausgerechnet vor den Olympischen Winterspielen. Sehen Sie einen Hoffnungsschimmer?

Ban: Ja, tatsächlich. Ich habe immer gedacht, dass Sport ein gutes Mittel ist, um Werbung für Frieden zu machen – und Pyeongchang, der Olympia-Austragungsort, ist dafür ein guter Ort, um ein Signal der Harmonie und der Kooperation auszusenden. Die Situation auf der koreanischen Halbinsel und in Nordostasien hat große Auswirkungen auf den Frieden weltweit. Ich bin zwar nach wie vor zutiefst besorgt über die Spannungen zwischen Nordkorea und den USA. Doch in den vergangenen Tagen haben wir einen kleinen Lichtblick gesehen.

Sind Kim Jong-un und Donald Trump die richtigen Staatsmänner, um diese Spannungen zu reduzieren?

Ban: Am Ende wird es einen Dialog zwischen den USA und Nordkorea geben. Die Rhetorik zwischen Kim und Trump ist nicht hilfreich. Ich hoffe, ein Weg für einen Vertrag für eine Denuklearisierung und eine friedliche Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel kann gefunden werden.

Die Rhetorik schaukelt die Spannungen auf. Kann das nicht leicht außer Kontrolle geraten?

Heinz Fischer: Das nordkoreanische Regime ist nach europäischen Maßstäben nicht nachvollziehbar. Das politische System in Nordkorea ist offenbar eines der geschlossensten und autoritärsten der Welt. Bei einem solchen System würde ich mich wohler fühlen, wenn auf amerikanischer Seite ein Präsident wäre, der ruhig und überlegt ist, der sorgfältig seine Worte wählt und so agiert, um eine Eskalation zu vermeiden. Die Art, wie Präsident Trump agiert und wie Nordkorea organisiert ist, erhöht die Unberechenbarkeit der Situation. Das ist auch aus europäischer Sicht sehr gefährlich. Umso mehr muss man hoffen, dass es beide Seiten nicht auf das Äußerste ankommen lassen.


Wer ist die größere Gefahr für die Welt: Kim Jong-un oder Donald Trump?

Ban: Es ist absurd, Kim Jong-un mit irgendeinem anderen Führer der Welt zu vergleichen. Wir haben noch nie ein Regime wie das von Nordkorea gesehen, das gegen alle Normen der UNO handelt.

Was bedeuten die Kürzung der US-Zahlungen an die UNO?

Ban: Ich verstehe die Sorgen, dass die UNO große Ressourcen benötigt, während viele Länder mit großen ökonomischen Problemen zu kämpfen haben. Wenn die UNO aber nicht von ihren Mitgliedern politisch, moralisch und finanziell unterstützt wird, kann sie nicht ordentlich funktionieren. Kein Land – egal wie mächtig es ist – kann die globalen Krisen alleine lösen. Wenn die US-Politik „America first“ lautet und die USA aus multilateralen Verträgen wie dem Pariser Klimaschutzabkommen austritt, dann wird es für die internationale Gemeinschaft sehr schwierig, das umzusetzen, was für viele Menschen auf der Welt wichtig ist.

Sehen Sie in den derzeitigen Protesten im Iran so etwas wie einen „Persischen Frühling“?

Ban: Als UN-Generalsekretär habe ich die Führer der Welt ermahnt, auf die Stimme des Volkes zu hören. Im Prinzip muss das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit absolut geschützt sein. Das ist eine der wichtigsten Leitlinien der UNO. Die Feindseligkeit unter den Staaten im Nahen Osten bereitet mir große Sorgen.


Wie kann und soll der Westen auf Irans Führung einwirken?

Fischer: Ich habe Präsident Rohani als Mann des Dialogs und als einen Präsidenten kennengelernt, der sich um einen langsamen, vorsichtigen Prozess der Öffnung und Modernisierung bemüht. Gleichzeitig achtet er darauf, dass die Entwicklung nicht außer Kontrolle gerät. Er steht aber zwischen zwei Fronten: zwischen der sehr reaktionären Gruppe innerhalb der iranischen Führung, die jeder Öffnung abgeneigt ist und für einen harten Kurs eintritt; und zwischen jenen, denen die Liberalisierung und Modernisierung nicht rasch genug geht. Ich glaube, dass man am besten auf die Karte Rohani setzt – einen moderaten, schrittweisen Reformkurs. Es wäre sicher falsch, den Atomvertrag mit dem Iran infrage zu stellen. Dies würde die Situation im Iran verschärfen und überhaupt die Sinnhaftigkeit vertraglicher Vereinbarungen infrage stellen. Ich glaube nicht, dass man in irgendeiner Weise Öl ins Feuer gießen sollte.


Würden Sie sich punkto Iran eine lautere Stimme von Österreichs Außenpolitik wünschen?

Fischer: Meiner Meinung kommt es nicht auf die Lautstärke an, sondern auf den richtigen Ton und die richtigen Inhalte.


Sie standen an der Spitze der UNO, als die Krise in Syrien losbrach. Sie haben gesagt: Was Sie am meisten bedauern, ist, dass Sie die Menschen in Syrien im Stich gelassen haben.

Ban: Ich habe mehrmals den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad getroffen. Und ich habe mehrere Sondergesandte ernannt, darunter meinen Vorgänger Kofi Annan, Lakhdar Brahimi und Staffan de Mistura. Der Grund, warum der Konflikt bisher nicht gelöst worden ist, ist die Uneinigkeit – und zwar auf allen Ebenen. Sogar humanitäre Fragen wurden durch Vetos im Sicherheitsrat blockiert. Ich habe alles getan, was ich tun konnte. Ich habe den Großteil meiner Zeit für das Problem Syrien aufgewendet. Ich hätte auch gerne so viel Zeit in den Kampf gegen Armut und Krankheiten investiert.


In Libyen gab es eine UN-Resolution und eine Intervention. Heute herrscht nach wie vor Chaos in Libyen. Was ist schiefgelaufen?

Ban: Wenn die Führung eines Landes nicht in der Lage oder willens ist, der eigenen Bevölkerung beizustehen, dann muss die internationale Gemeinschaft eingreifen. Das Problem in Libyen ist, dass die libysche Bevölkerung nie in der Lage war, an einem Strang zu ziehen. Ich habe persönliche Anstrengungen unternommen, um die Führer aller Parteien an einen Tisch zu bringen. Das ist für mich eine Quelle einer großen Frustration.

Fischer: Es ist ganz schwierig, hier die Unterscheidung zu treffen: Was ist nötiger Schutz für die Zivilbevölkerung und was ist eine unerlaubte Intervention? Wo liegt die Notwendigkeit, Menschenleben in einem anderen Land zu schützen? Wo beginnt eine Intervention großer Mächte wie den USA? Es heißt: Ob jemand ein Held und Freiheitskämpfer ist oder ein Verräter am eigenen Land, hängt vom Ergebnis ab. Lenin und Trotzki würden in Russland heute als Kriminelle angesehen, wenn sie nicht erfolgreich gewesen wären. Deshalb ist internationale Politik so schwierig.


Herr Generalsekretär, Ihr Nachfolger Antonio Guterres hat den Planeten auf „Red Alert“ gesetzt.

Ban: Ich teile seine Sorge. Die Welt wird von vielen Krisen bedroht – von Syrien bis Nordkorea. Meine größte Sorge gilt Nordkorea. Wir reden hier von der Gefahr eines Atomkrieges.


Eine Frage an den Sozialdemokraten Heinz Fischer: In Deutschland beginnen am Sonntag die Sondierungen der SPD mit der Union. Viele Beobachter in Deutschland sagen: Eine erneute große Koalition wäre furchtbar. Was sagen Sie dazu?

Fischer: Auch hier gilt natürlich, dass die Entscheidung über die nächste deutsche Regierung in Deutschland fallen muss. Aber für mich ist eine große Koalition nicht das abschreckende Bild, das in Deutschland nun gezeichnet wird. Man kann eine große Koalition sehr wohl so organisieren und gestalten, dass sie für das Land nützlich ist. Wenn in einer großen Koalition beide Partner in erster Linie den gemeinsamen Erfolg im Auge haben, dann ist sie durchaus in der Lage, einem Land Stabilität zu geben – vor allem im Vergleich mit der Option, innerhalb weniger Monate neuerlich zu wählen – ohne die Garantie, dass dadurch eine Situation entsteht, in der man leichter eine Regierung bilden kann. Die Haltung von Präsident Steinmeier ist hier sehr vernünftig und geprägt von staatspolitischer Verantwortung.


Zugleich ist aber die SPD von 33 Prozent 2005 auf 20 Prozent im Vorjahr geschrumpft. Das ist doch besorgniserregend für die Sozialdemokratie.

Fischer: Das ist eine besorgniserregende Entwicklung, und es sind sicher neue Konzepte und Anstrengungen nötig. Aber eine Garantie, dass man aus der Rolle der Opposition heraus besser abschneidet, gibt es nicht.


Hätten Sie auch in Österreich für die Fortsetzung einer großen Koalition plädiert?

Fischer: Hier sind offenbar schon andere Varianten im Vordergrund des Interesses der handelnden Personen gestanden.


Und was ist Ihr Rat an die SPÖ?

Fischer: Ich bin kein öffentlicher Ratgeber.

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