Ute Bock: Tod einer Kompromisslosen

Ute Bock achtete wenig auf sich selbst, dafür umso mehr auf andere.
Ute Bock achtete wenig auf sich selbst, dafür umso mehr auf andere.(c) Flüchtlingsprojekt Ute Bock
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Flüchtlingshelferin Ute Bock ist tot. Sie lebte Menschlichkeit oft auch auf eigene Kosten.

Wien. „Ich habe einen Vogel, aber es gibt viele Leute, die meinen Vogel unterstützen.“ Als Ute Bock 2012 das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich verliehen bekam, charakterisierte sie sich selbst genau mit diesem Satz. Zu welchem weltanschaulichen Lager man auch zählt, man kann dieser Analyse zustimmen. Ob als liebevolle Beschreibung einer Frau, die sich mit vollem Einsatz, viel Herz und Menschlichkeit ihrer Mission widmete. Oder weniger wohlmeinend für eine Person, die in der Hilfe für Flüchtlinge immer wieder eine fast schon kompromisslose Naivität an den Tag legte.

Tatsächlich lässt sich das, was Bock in den vergangenen Jahrzehnten machte, als so etwas wie Aufopferung bezeichnen. Ohne Rücksicht auf eigene Bedürfnisse („Am Abend kaufe ich mir zwei Wurstsemmeln, das reicht“) widmete sie ihr Leben – und ihre eigene Pension – vor allem den anderen. Und ließ auch manches über sich ergehen, was schon ein Ausnutzen war. Nur konsequent, dass sie von ihren Schützlingen als „Mama“ bezeichnet wurde. Und dass sie mit ihrem kompromisslosen Einsatz auch zu einer Kultfigur wurde. Zur „Frau Bock“, für die Dutzende Wiener Lokale einen Zuschlag von 10 Cent pro Bier einhoben, die in ihre Einrichtungen flossen. „Bock auf Bier“ hieß die Aktion, die auch von einigen Prominenten beworben wurde. „Ich brauch die Reklame, und ich brauch das Geld“, sagte sie zu Aktivitäten wie diesen.

ZUR PERSON

Ute Bock wurde am 27. Juni 1942 in Linz geboren. Sie wurde bekannt als Aktivistin für Asylwerber und Flüchtlinge. Ihr Verein lebt von Spenden – u. a. ab 2008 durch den Industriellen Hans-Peter Haselsteiner – und ihrem persönlichen Einsatz. Freitagfrüh starb Bock nach kurzer schwerer Krankheit mit 75 Jahren.

Web:www.fraubock.at

Begonnen hatte die am 27. Juni 1942 in Linz geborene Bock als Erzieherin in einem Heim für schwer erziehbare Sonderschüler in Biedermannsdorf. In den 1970er-Jahren begann sie in einem Gesellenheim in der Favoritner Zohmanngasse – eine Adresse, die symbolträchtig für Bocks Aktivitäten wurde. In den 1990er-Jahren entwickelte sich das Haus zur Anlaufstelle für junge Zuwanderer, aus dem Bürgerkriegsland Jugoslawien, später vor allem für Flüchtlinge aus Afrika.

Fehler eingestanden

Mit ihnen ist auch einer der größten Kritikpunkte an Ute Bock verknüpft – dass etwa unter den Menschen, die in der von ihr geführten Einrichtung leben, auch Kriminelle waren. Stichwort „Operation Spring“ – damals stürmte die Polizei das Heim und nahm 21 Bewohner vorübergehend fest. Aber auch ihre Vergangenheit als Erzieherin in einem Heim tauchte Jahre später als Schatten über ihrem Leben auf. Da war von Misshandlungen die Rede. Und Bock selbst gestand, dass sie auch immer wieder „Detschn“ ausgeteilt habe. „Es war sicher nicht alles in Ordnung, was ich gemacht hab“, sagte sie.

Auch diese Vorwürfe konnten nur wenig am idealistischen Bild von Bock in der Öffentlichkeit kratzen. Am Bild eines Menschen, der sich für andere einsetzt – mit Vehemenz und Aktionismus. So verkündete sie rund um den drohenden Konkurs ihres Vereins 2008, dass sie eher aus dem Fenster springen, als dass sie Menschen aus ihren Wohnungen absiedeln würde. Mit dem Erfolg, dass sich der Industrielle Hans Peter Haselsteiner meldete, der den Verein rettete und fortan regelmäßig finanzielle Zuwendungen lieferte.

Sie konnte jedenfalls weitermachen, weiter Flüchtlinge betreuen – ehe sie 2013 einen Schlaganfall erlitt. Zwar konnte sie wieder zu ihrem Wohnprojekt zurückkehren, doch musste sie ihr Engagement doch deutlich einschränken. Stumm wurde sie dennoch nicht – während des Flüchtlingsansturms 2015 meldete sie sich zu Wort und kritisierte die Scheinheiligkeit mancher Helfer, die meinten, dass es reichen würde, einfach einen Kilo Brot vorbeizubringen, doch die dahinter eine fürchterliche Einstellung verbergen würden.

Als Freitagfrüh die Nachricht von ihrem Tod kam, waren die vielen Reaktionen darauf recht einhellig. Als „überzeugte Humanistin“ wurde sie gewürdigt, als „Ikone der Zivilcourage“ und als „moralische Instanz“. Die Stadt Wien bot auch gleich ein Ehrengrab an. Hätte Bock davon erfahren, hätte sie vermutlich zunächst gesagt, dass die wohl auch einen Vogel haben müssen. Prompt lehnte die Familie das Ehrengrab ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2018)

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