Mehr als 20 Buben sollen in dem Berliner Canisius-Kolleg missbraucht worden sein. Die Ordensführung und der Vatikan waren angeblich schon vor Jahren informiert.
Der Missbrauchs-Skandal am Berliner Elitegymnasium Canisius-Kolleg ist weitaus größer als bisher angenommen. Während die Berliner Justizbehörden bisher von sieben sexuell missbrauchten Buben ausgingen, meldeten sich übers Wochenende Medienberichten zufolge mehr als 20 Opfer. Zudem war die Ordensleitung offenbar seit 1991 über die Vorfälle informiert. Einer der beiden beschuldigten Lehrer gab die Taten inzwischen zu. In einem anderen Fall räumte das Erzbistum Berlin Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs gegen einen Priester ein.
Laut "Spiegel" handelt es sich bei einem der mutmaßlichen Täter am Canisius-Kolleg um den früheren Sportlehrer und Jesuitenpater Wolfgang S., der die Missbrauchsvorwürfe bereits einräumte. Der Mann trat demnach 1992 aus dem Orden aus. Zuvor soll er laut "Spiegel" auch an anderen Jesuitenschulen in Deutschland Buben missbraucht haben. Unter anderem sei er an der Hamburger Sankt-Ansgar-Schule und von 1982 bis 1984 in Sankt Blasien im Südschwarzwald tätig gewesen.
Der heutige Provinzial der Jesuiten in Deutschland, Stefan Dartmann, bestätigte dem Nachrichtenmagazin zufolge, dass der Orden 1991 Kenntnis von den Straftaten hatte. Man habe jetzt eine Anwältin mit einer Prüfung der Akten beauftragt, "um festzustellen, was genau die Jesuiten damals wussten und welche Konsequenzen erfolgten". Auch der Vatikan war über die Verfehlungen im Bilde, wie der "Spiegel" weiter berichtet. Lehrer S. habe dort "Zeugnis von meiner nichts beschönigenden Ehrlichkeit" abgelegt.
Bei dem zweiten Beschuldigten handelt es sich laut "Spiegel" um den 69-jährigen ehemaligen Religionslehrer Peter R. aus Berlin. Im Gegensatz zu S. habe dieser sämtliche Vorwürfe bestritten. Laut "Spiegel" meldeten sich bereits rund 20 ehemalige Schüler, die von sexuellen Übergriffen berichteten. Der "Tagesspiegel am Sonntag" meldete gar 22 Opfer.
Der amtierende Rektor des Gymnasiums, Pater Klaus Mertes, kritisiert seine Kirche im "Tagesspiegel am Sonntag" scharf. "Homosexualität wird verschwiegen. Kleriker mit dieser Neigung sind unsicher, ob sie bei einem ehrlichen Umgang mit ihrer Sexualität noch akzeptiert werden." Der Beauftragte der Bischofskonferenz bei der deutschen Bundesregierung, Prälat Karl Jüsten, lobte Mertes ausdrücklich dafür, "dass er sich offensiv um Aufklärung der Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg bemüht und sogar riskiert, den Ruf des Gymnasiums zu beschädigen".
Das Erzbistum Berlin teilte mit, dass dem Berliner Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky Anfang Juli 2009 Beschuldigungen und Verdächtigungen gegen einen Priester vorgetragen worden seien. Diese bezögen sich auf das Jahr 2001. Dem Gemeindepfarrer seien daraufhin umgehend alle Aktivitäten im Zusammenhang mit Jugendlichen untersagt worden. Das Verfahren sei in Rom anhängig und noch nicht abgeschlossen. Der Priester sei derzeit nicht seelsorgerisch tätig.
Das Opfer wurde demnach aufgefordert, die Vorfälle zur Anzeige zu bringen. Weitere Opfer wurden gebeten, sich zu melden.
(Ag. )