Vortrag Gerhard Schröders

"Wirtschaftskrieg ist für niemanden zu gewinnen - auch nicht für die USA"

Auf Einladung Wolfgang Schüssels hielt der deutsche Ex-Kanzler einen Vortrag über Europas Antwort auf Donald Trump.
Auf Einladung Wolfgang Schüssels hielt der deutsche Ex-Kanzler einen Vortrag über Europas Antwort auf Donald Trump.(c) imago/localpic (Rainer_Droese)
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Der deutsche Ex-Kanzler sprach im Parlament in Wien über die Herausforderung durch Trump und die Notwendigkeit für eine EU-Reform.

Wien. „Wer ist nicht gerne in Wien?“ Schmäh und Charme, die Zwillinge des Wiener Wesens, sind dem Niedersachsen Gerhard Schröder nicht fremd. Ironie schwingt unweigerlich mit bei der Vorstellung des Gasts am Podium des provorischen Parlaments in der Hofburg. Dass der deutsche Ex-Kanzler als einer der wesentlichen Akteure bei der Verhängung der EU-Sanktionen gegen die schwarz-blaue Regierung 18 Jahre später auf Einladung Wolfgang Schüssels, seines damaligen Kontrahenten, und der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik über Europa im Zeitalter Donald Trumps referiert; dass in Wien neuerlich eine schwarz-blaue Koalition am Ruder ist – all dies spielt keine Rolle mehr. Es zeigt lediglich die neue Normalität des Rechtspopulismus in der EU.

Schröder erlaubt sich nur eine Nebenbemerkung über den gegenseitigen Respekt, der mit der Entfernung von Amt und Würden umso mehr wachse. Ansonsten würdigt er einen Tag vor dem Amtsantritt einer neuen Großen Koalition in Berlin die „kollektive Vernunft“ seiner SPD in Form der Zustimmung zur GroKo, die im Übrigen ein Sieg für die Republik sei. Mögen auch in Deutschland die Mitte schwächer und die Ränder stärker werden, eines ist für den 73-Jährigen im x-ten Frühling und vor seiner fünften Ehe gewiss: „Europa braucht in seiner Mitte ein stabiles Deutschland.“ Der deutsch-französische Dynamo ist für den Altkanzler unerlässlich – und Emmanuel Macron, Frankreichs Präsident, hat lange genug auf die Partnerin in Berlin gewartet.

Auf europäischer Ebene konstatiert Schröder Desintegration, Entsolidarisierung und „nationalistische Eigensucht“ – nicht zuletzt dank der Politik in Polen und Ungarn. Auch die Regierung in Washington würde Populismus, Ausgrenzung und Spaltung auf ihre Banner schreiben, eine „außer Rand und Band geratene Politik“. „Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die USA zu multilateralen Strukturen und ihrer globalen Verantwortung zurückkehren. Der Multilateralismus ist ohne Alternative. Das wird auch der US-Präsident noch lernen.“

„Nicht um Ausnahmen betteln“

Schröder erinnert an den „fatalen“ Irak-Krieg, an die Lügen, die katastrophalen Konsequenzen bis hin zur Flüchtlingskrise. Als er sich 2003 an der Seite seines französischen Freundes Jacques Chirac dem Feldzug George W. Bushs verweigerte, war dies seine große Stunde auf der Weltbühne, und sie markierte eine Entfremdung gegenüber den Alliierten in Washington. Geradezu leidenschaftlich klingt jetzt sein Appell, da Donald Trump Strafzölle verhängt: „Es wird nicht helfen, um Ausnahmen zu betteln. In diesem Fall wird die EU insgesamt verlieren. Wir brauchen stattdessen eine gemeinsame Antwort der EU. Ein Wirtschaftskrieg ist für niemanden zu gewinnen – auch nicht für die USA.“

Tendenzen für eine „Renationalisierung Europas“, wie sie kleinere EU-Staaten wie die Niederlande und Irland forcieren, sind für Schröder eine Sackgasse. Angesichts der Globalisierung und Themen wie Migration sei dies eine Illusion. Er plädiert für eine größere Handlungsfähigkeit Europas, für die Etablierung des Euro als dritter Weltwährung nach dem Dollar und dem Yuan. Einerseits tritt er auf kommunaler und regionaler Ebene für „weniger Europa“ ein – ansonsten aber für „mehr Europa“, etwa für eine gemeinsame Finanz- Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Eurozone.

Schutz der Außengrenzen Priorität

„Europa muss sich entscheiden, ob es eine globale Rolle spielen will – und es muss dabei mit einer Stimme sprechen.“ In der Außen und Sicherheitspolitik, bekräftigt der Ex-Kanzler, das Mantra der Experten, müsse Europa mehr Verantwortung übernehmen. „Wir haben es nicht geschafft, eine Sicherheitsarchitektur zu schaffen.“ Höchste Priorität habe für ihn indes der Schutz der Außengrenzen und die Kooperation innerhalb der EU.

Der Brexit, den Schröder als „größtmögliches Polit-Versagen“ des Ex-Premiers Cameron tadelt, stelle Großbritannien vor existenzielle Fragen. „Wir dürfen den Briten nicht zu weit entgegenkommen. Der Brexit wird teuer.“ Zugleich müsse die EU auf die unterschiedlichen Herausforderungen durch „America First“ und den Brexit mit „unterschiedlichen Geschwindigkeiten“ reagieren.

Wo bleiben in dieser geostrategischen Skizze, die künftig drei große Kräfte – die USA, China und die EU – an die Wand malt, die Ränder Europas? „Wir müssen langfristig das Verhältnis zu unseren Nachbarn Russland und Türkei verbessern. Es geht dabei um die Stabilität in Osteuropa, im Kaukasus, in Nahost und Nordafrika. Wir müssen verhindern, dass Russland und die Türkei in Richtung China abdriften.“

Als „Fraktionsvorsitzender der Putin-Versteher“, wie sich der Duz-Freund des russischen Präsidenten und Gazprom-Lobbyist selbstironisch charakterisierte, hat Schröder Gefallen an Sebastian Kurz gefunden. Österreichs Kanzler hatte sich jüngst in Moskau für eine schrittweisen Abbau der Sanktionen eingesetzt. Für den deutschen Altkanzler gehört es zum Rüstzeug eines Politikers, der Realität ins Auge zu sehen: „Ich glaube nicht, dass die Ukraine die Krim je wieder zurückbekommen wird.“ Zuweilen dauert es nur ein wenig länger, bis die Realität einsetzt – wie im Herbst 2005, als Gerhard Schröder seine Niederlage gegen Angela Merkel eingestand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2018)

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