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Experten identifizieren das Skripal-Gift

Julia Skripals Aufenthaltsort bleibt geheim.
Julia Skripals Aufenthaltsort bleibt geheim.(c) APA/AFP/FACEBOOK PAGE OF YULIA S (-)
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Moskau möchte unabhängigen Bericht einsehen. London jubiliert und will Sitzung des UN-Sicherheitsrats.

Salisbury/Den Haag. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) ist zurzeit viel beschäftigt: Sie untersucht nicht nur die Vorwürfe rund um den Chlorgasangriff auf die syrische Stadt Duma, sondern legte am Donnerstag auch den mit Spannung erwarteten Bericht über die Umstände der Vergiftung des russischen Ex-Agenten Sergej Skripal (66) und seiner Tochter Julia (33) vor. Die OPCW teilt darin mit, dass „die Untersuchungsergebnisse Großbritanniens in Bezug auf die Identifizierung der toxischen Chemikalie bestätigt“ worden seien. Blutproben der Opfer und des Gifts wurden in vier unabhängigen Labors analysiert, der Stoff habe sich „durch hohe Reinheit“ ausgezeichnet.

Die Organisation vermied es allerdings penibel, Gift oder Herstellungsort namentlich zu nennen. Was Großbritanniens Außenminister Boris Johnson nicht daran hinderte, die Vorwürfe zu bekräftigen, dass es sich bei der Substanz um das Nervengift Nowitschok handle. Dieses wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren in der Sowjetunion entwickelt. „Es kann keinen Zweifel daran geben, was genutzt wurde, und es bleibt keine alternative Erklärung, wer verantwortlich ist – nur Russland hat Möglichkeiten, Motive und Erfahrungen.“ Großbritannien forderte auf Basis der Laborerkenntnisse für kommende Woche eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats.

Moskau hingegen erklärte, das Ergebnis sei Teil der britischen Propaganda, um Russland zu diskreditieren. Man werde die Resultate nur akzeptieren, wenn russische Experten Zugang zu der Dokumentation erhielten.

Sergej Skripal und seine Tochter waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank im südenglischen Salisbury gefunden worden. Skripal hatte früher für den russischen Militärgeheimdienst GRU und den britischen MI6 gearbeitet. 2004 flog er auf, wurde in Russland verurteilt, 2010 im Zuge eines Gefangenaustauschs aber freigelassen. Seither lebt er in Großbritannien.

Der Giftanschlag auf ihn und seine Tochter führte zu einer schweren diplomatischen Krise zwischen Großbritannien und Russland, in der sich der Westen geeint auf die Seite Londons stellte. Die Vereinigten Staaten und 24 EU-Staaten wiesen als Reaktion Diplomaten aus. Österreich schloss sich dieser Aktion nicht an. Dies trug Wien jetzt scharfe Kritik seitens des liberalen deutschen EU-Abgeordneten Alexander Graf Lambsdorff ein. Dass Österreich nicht mitgezogen habe, untergrabe die Einigkeit der EU, sagte Lambsdorff am Donnerstag in Ö1.

Der Propagandakrieg zwischen Moskau und London konzentrierte sich am Donnerstag vermehrt auf die Person von Julia Skripal. Sie konnte bereits am Dienstag aus dem Krankenhaus entlassen werden, auch wenn ihre Behandlung damit noch nicht beendet ist. Am Mittwochabend teilte die junge Frau, die normalerweise in Moskau lebt, in einer von Scotland Yard verbreiteten Stellungnahme mit, dass ihr die russische Botschaft Hilfe angeboten habe, sie „von deren Leistungen im Moment aber keinen Gebrauch machen möchte“. Moskau zweifelte umgehend auch die Echtheit dieses Schreibens an und insinuierte, dass die Skripals von den britischen Behörden unter Verschluss gehalten würden. Niemand habe Vater und Tochter seit über einem Monat gesehen, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums. (age/do)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2018)