Bischöfin: "Ich bin selbst über mich erschrocken"

Margot Kaessmann
Margot Kaessmann(c) EPA (RALF HIRSCHBERGER)
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Die Chefin der Evangelischen Kirche betrunken am Steuer: ein Super-GAU. Die Polizei stoppte sie, nachdem sie mehrere rote Ampeln im Stadtzentrum missachtet hatte, und stellte 1,54 Promille Alkohol im Blut fest.

Berlin. „7 Wochen ohne“ ist das Motto der evangelischen Kirche für ihre alljährliche Fastenaktion. Doch selbst außerhalb der Fastenzeit wäre es höchst peinlich, wenn die Frau, die an der Spitze der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) steht, betrunken am Steuer erwischt wird.

Genau dies ist der Bischöfin von Hannover, Margot Käßmann (51), dem „Aushängeschild“ der Protestanten, wie erst jetzt bekannt wurde, am Wochenende passiert: Die Polizei stoppte sie, nachdem sie mehrere rote Ampeln im Stadtzentrum missachtet hatte, und stellte 1,54 Promille Alkohol im Blut fest. Käßmann war auf dem Heimweg von einem privaten Termin.

Ermittlungsverfahren eingeleitet

Für die evangelische Kirche ist es nach den Worten eines ihrer Vertreter ein „Super-GAU“, dessen Konsequenzen noch nicht abzuschätzen sind. Am Dienstag wurde beraten, ob die EKD Schritte setzen will. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren gegen die Bischöfin ein, ihr drohen ein einjähriger Führerscheinentzug und eine Geldstrafe von einem Monatsgehalt.

Viel schwerwiegender ist freilich der Verlust der Glaubwürdigkeit: „Ich bin über mich selbst erschrocken, dass ich einen so schlimmen Fehler gemacht habe“, sagt Käßmann. Ihr sei bewusst, wie gefährlich und unverantwortlich Alkohol am Steuer sei. „Den rechtlichen Konsequenzen werde ich mich selbstverständlich stellen.“ Die Bischöfin sagte für die nächsten Tage alle Termine ab – unter anderem ein für heute angesetztes Interview mit der „Presse“.

Erst im vergangenen Oktober war Käßmann als erste Frau zur Ratsvorsitzenden gewählt worden, was als Zeichen für den Modernisierungswillen der Evangelischen Kirche Deutschlands galt. Sie steht an der Spitze von rund 25 Millionen Gläubigen in Deutschland. Die Mutter von vier erwachsenen Töchtern, die auch offen über ihre Scheidung und über ihre Krebserkrankung sprach, genoss in weiten Kreisen hohe Sympathie.

Für ihre Kritik am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr in ihrer Neujahrspredigt erntete Käßmann dann aber nicht nur Zustimmung, sondern auch viel Protest. „Nichts ist gut in Afghanistan“, hatte die Bischöfin konstatiert, „wir brauchen mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen.“

Die Worte zu Afghanistan konnte man positiv oder negativ bewerten, die Alkofahrt jedoch, die in der Pressestelle der EKD verschämt als „die Sache“ umschrieben wird, kaum. Eine Verfehlung, die nicht einfach zu rechtfertigen sei, sagt der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer, der diese auf den Druck des Amtes zurückführt: „Das ist ein Blackout, der leider immer wieder Leuten passiert, die in öffentlichen Ämtern unter Dauerstress stehen.“

Enttäuschte Gläubige

Käßmanns Schäfchen verleihen unterdessen im Internet bereits zuhauf ihrer Enttäuschung Ausdruck. Auch gibt es jede Menge hämische Kommentare à la „Wasser predigen, Wein trinken“.

„Fasten bringt eine Chance für einen neuen Blick auf das Leben“, wird aus einer Predigt der Bischöfin zitiert, oder: „Zum Glauben gehört, den Atem zu spüren.“

ZUR PERSON

Margot Käßmann (51) bekleidet seit Oktober 2009 das Amt der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland. Zugleich ist die Theologin Landesbischöfin von Hannover. Die Mutter von vier Töchtern ist geschieden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2010)

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