Der US-Präsident kämpft an allen Fronten gegen ein aus seiner Sicht fehlerhaftes Handelssystem. Der Streit mit der EU ist für ihn bislang nur ein Nebenschauplatz. Das könnte sich ändern.
New York. Donald Trumps Reaktion war bezeichnend. Während sich Europa, von Brüssel bis Wien, über die Einführung von Zöllen auf Stahl und Aluminium echauffiert und Gegenmaßnahmen ankündigt, gab sich der US-Präsident wortkarg. „Fairer Handel“, schrieb er auf Twitter. Sonst nichts. Ende der Durchsage. Donald Trump hat viel zu tun.
Das soll keineswegs heißen, dass der Welthandel und seine Zukunft den Mann im Weißen Haus nicht umtreiben. Im Gegenteil. Seit seiner Wahl zum Präsidenten poltert Trump über ein aus seiner Sicht unfaires globales Handelssystem. Die Einführung von Zöllen von 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium auf EU-Lieferungen in die USA ist nur eine Konsequenz daraus. Jedoch: Der Disput mit Brüssel ist bloß ein Nebenschauplatz für Trump. Seine Regierung streitet in Handelsfragen auch mit China, Mexiko, Kanada, Japan, Südkorea, um nur einige zu nennen.
Im Zentrum steht für die USA die Frage, ob das aktuelle globale System die weltgrößte Volkswirtschaft benachteiligt. Ja, sagt Trump, und es gibt Argumente, die das belegen. Laut Welthandelsorganisation heben die Vereinigten Staaten im Durchschnitt weniger hohe Zölle ein als die Europäische Union und China. Das hat viele Gründe, unter anderem historische, weil es für ärmere Volkswirtschaften im Gegensatz zu prosperierenden mehr Sinn macht, sich durch Importtarife zu schützen, um ihrer Bevölkerung einen besseren Lebensstandard zu ermöglichen.
In China hat der Zugang zum US-Markt bei gleichzeitiger Abschottung der eigenen Wirtschaft Hunderten Millionen Menschen aus der Armut geholfen. Die USA heben im Schnitt Zölle von weniger als vier Prozent auf Importe ein, während dieser Wert in der EU bei über fünf und in China bei zehn Prozent liegt. Nun heißt das nicht, dass das Welthandelssystem durch höhere US-Tarife besser wird, selbst die USA werden laut Ökonomen unter einem Handelskrieg leiden.
Doch darum schert sich Trump wenig. Bei Wahlkampfveranstaltungen in den für die anstehenden Kongresswahlen wichtigen ländlichen Gegenden hat der Präsident die Bevölkerung bereits gewarnt, dass Stahlfirmen unter den höheren Tarifen genauso leiden werden wie Landwirte. Am Ende aber, so Trumps Denkweise, werden die USA auf dem längeren Ast sitzen. Die anderen Länder werden Hindernisse für Lieferungen aus den USA abbauen, im Gegenzug könne Washington die Strafzölle ebenfalls fallen lassen und die Weltkonjunktur werde profitieren.
Voest: Folgen „sehr überschaubar“
Derzeit deutet aber wenig darauf hin, dass Trumps Plan aufgeht. Von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über Österreichs Kanzler, Sebastian Kurz, bis hin zum kanadischen Premier, Justin Trudeau, schwört die Weltpolitik Rache und will ebenfalls Zölle auf US-Produkte einführen. Wiewohl sich auch hier zeigt, dass im Streit zwischen der EU und den USA von einem Handelskrieg noch keine Rede sein kann. Sowohl die US-Zölle wie auch Maßnahmen der EU werden sich im einstelligen Milliardenbereich bewegen.
Natürlich leiden einzelne Unternehmen darunter. Die Amag ließ wissen, dass die Zölle den Gewinn um einen einstelligen Millionenbetrag schmelzen lassen werden. Doch Schwergewichte wie die Voestalpine halten die Konsequenzen „selbst in einem Extremfall“ für „sehr überschaubar“ und auf die Gesamtkonjunktur werden sich die Tarife auf Stahl und Aluminium nur minimal auswirken. Das könnte sich erst ändern, wenn Trump auch die deutschen Autobauer unter die Zolllupe nimmt.
Bis dahin kämpft der US-Präsident aber noch an vielen anderen Fronten. Dieses Wochenende reist Handelsminister Wilbur Ross nach China. Es geht um den Diebstahl von geistigem Eigentum und anstehende Zölle auf chinesische Lieferungen mit einem Warenwert von bis zu 150 Mrd. Dollar (130 Mrd. Euro). China droht mit Revanche. Wenn der chinesisch-amerikanische Streit eskaliert, droht der Weltkonjunktur die Rezession, und das würde Europas Wirtschaft stärker spüren als Tarife von Stahl, Aluminium oder Whiskey.
Während die EU von Gegenmaßnahmen im niedrigen einstelligen Milliardenbereich spricht, hat das wirtschaftlich deutlich kleinere Kanada Strafzölle mit einem Warenwert von mehr als 16 Mrd. kanadischen Dollar (10,6 Mrd. Euro) angekündigt.
Fazit: Bislang zeigt sich der US-Präsident für seine Verhältnisse recht freundschaftlich. Die Drohgebärden gegen Brüssel sind nur ein kleiner Teil des Trump'schen Handelspuzzles. Das größte Stück ist China, das zweitgrößte der nordamerikanische Freihandel mit Mexiko und Kanada. Noch.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2018)