52 Minuten lang sprach „ZiB 2“-Moderator Armin Wolf mit dem russischen Präsidenten. Putin ließ sich ungern unterbrechen und wich bei unangenehmen Fragen aus.
Wien. Eines zeigt das Interview, das der „ZiB 2“-Moderator des ORF, Armin Wolf, mit Russlands Präsidenten, Wladimir Putin, geführt hat, deutlich: Der Kreml-Chef lässt sich nicht gern unterbrechen. Und bei heiklen Fragen zur Rolle Russlands in der Ukraine oder Giftgasangriffen in Syrien setzt er auf alte Erklärungsstrategien, die von russischer Seite seit Langem bemüht werden. Zwölf Mal fordert Putin Wolf auf, ihn ausreden zu lassen. Einmal sagte der Kreml-Chef etwa: „Noch eine Sekunde. Lassen Sie mich das bitte zu Ende erklären. Sonst ist das kein Interview, sondern ein Monolog einer Seite, Ihrer Seite.“
Putin kommt am Dienstag zu einem Staatsbesuch nach Wien. Wolf hat den russischen Präsidenten bereits einige Tage davor in Moskau 52 Minuten lang interviewt. Das Gespräch wurde am Montagabend im ORF ausgestrahlt. Zu den wichtigsten Themen des Gesprächs zählten:
► Beziehungen zu Österreich und FPÖ. Der Besuch in Wien sei keine Belohnung dafür, dass Österreich im Zuge der Affäre rund um den vergifteten ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal keine russischen Diplomaten ausgewiesen habe, sagt Putin. Österreich habe als „geachtetes europäisches Land“ solche Belohnungen nicht nötig. Der Kreml-Chef bezeichnet Österreich als „zuverlässigen Partner“. „Auch in den letzten Jahren ist der Dialog trotz aller Schwierigkeiten nicht abgerissen.“
Das Partnerschaftsabkommen der FPÖ mit der Kreml-Partei Einiges Russland bezeichnet der russische Präsident als „reinen parteipolitischen Kontakt“. Er sei als Präsident kein Partmitglied mehr.
► Europäische Union. Putin bestreitet, dass Russland rechte und EU-kritische Parteien in Europa unterstützt, um die Union zu schwächen. „Wir verfolgen nicht das Ziel, etwas oder jemanden in der EU zu spalten“, sagt der Kreml-Chef. „Je mehr Probleme es innerhalb der EU gibt, desto größer sind die Risken und Unsicherheiten für uns.“
Auf die Frage nach den Aktivitäten der Internet-„Trollfabrik“ seines Freundes Jewgenij Prigoschin weicht Putin aus. Prigoschin betreibt unter anderem die Internet Research Agency in St. Petersburg, die mit falschen Identitäten und Fake-Postings die öffentliche Debatte im Westen zu beeinflussen versucht. Laut Putin sei Prigoschin aber eigentlich nur „im Gastgewerbe“ tätig und verdiene sein Geld mit Restaurants. Der russische Staat habe jedenfalls mit der „Trollfabrik“ nichts zu tun.
► Abschuss der MH17 über der Ukraine. Wolf konfrontiert Putin mit dem Bericht der internationalen Untersuchungskommission zum Abschuss der malaysischen Passagiermaschine MH17 über der Ostukraine im Jahr 2014. Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, das Flugzeug sei von einem Raketensystem der 53. russischen Flugabwehrbrigade abgeschossen worden, das zuvor in einem Konvoi in die Ostukraine transportiert worden ist. Putin bestreitet dies. Beide Seiten im Ukraine-Konflikt setzten Waffen aus russischer Produktion ein, sagt der Kreml-Chef. Zudem kritisiert er, dass russische Experten angeblich nicht zu den Ermittlungen in der Causa zugelassen worden seien: „Unsere Argumente werden nicht berücksichtigt. Niemand in dieser Kommission will uns anhören.“
► Krim-Annexion und Ukraine-Konflikt. Putin bekräftigt, dass eine Rückgabe der Halbinsel Krim an die Ukraine nicht möglich sei. Es habe sich auch nicht um eine Annexion der Krim durch Moskau gehandelt. Vielmehr habe sich die Bevölkerung der Halbinsel in einer Volksabstimmung zum Beitritt zu Russland entschieden. Dass weder das Referendum noch der Anschluss an Russland international anerkannt wird, störe ihn dabei nicht. Er sieht beides durch UN-Dokumente gedeckt.
Zum verbalen Schlagabtausch kommt es, als der „ZiB 2“-Moderator den russischen Präsidenten auf die sogenannten „grünen Männchen“ auf der Krim anspricht. Vor Russlands Machtübernahme auf der Halbinsel waren Kämpfer ohne Hoheitszeichen aufgetaucht. Der Kreml bestritt zunächst, dass es sich um russische Soldaten handelte, gestand es aber später ein.
Die Proteste und den Machtwechsel in Kiew Anfang 2014 bezeichnet Putin als „verfassungswidrigen, bewaffneten Staatsstreich“. Könnte das Ukraine-Problem gelöst werden, wenn sich das Land für bündnisfrei oder neutral erklärte? „Das ist eines der Probleme, aber nicht das einzige“, meint dazu Putin. „Für Russland ist vor allem wichtig, dass auf ukrainischem Gebiet keine militärischen Einrichtungen entstehen, die unsere Sicherheit gefährden könnten. Zum Beispiel neue Raketenabwehrsysteme, von denen die Wirksamkeit unseres Atomwaffenarsenals eingeschränkt würde.“
► Syrien. Gemäß der bisherigen russischen Linie bestreitet Putin, dass vom syrischen Regime Giftgas eingesetzt worden sei. „Sie behaupten, dass alle bewiesen haben, dass Assad Chemiewaffen eingesetzt hat. Aber das haben eben nicht alle. Unsere Spezialisten sagen etwas anderes.“ (red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2018)