Mit impliziter Kritik auch an seiner Partei eröffnete der Kanzleramtsminister die Medienenquete. Es geht um weit mehr als Kritik an der ORF-Berichterstattung.
Im Museumsquartier hat heute, Donnerstag, die Medienenquete mit einer persönlichen Anekdote von Kanzleramtsminister Gernot Blümel begonnen. Der ÖVP-Medienminister, quasi Hausherr der Enquete, sprach darüber, wie er durch ein Missverständnis Mediensprecher wurde. Das ging so: Als er Generalsekretär wurde, teilte man ihm mit, dass er nun für Medien zuständig sei. Denn "als Generalsekretär sei er derjenige, der sich beschweren muss, wenn die Berichterstattung nicht passt".
Blümel kann man für diese Ehrlichkeit dankbar sein. Er dachte sich, wie er sagte, dass Medienpolitik doch mehr sein müsse. Was sie nun alles sein kann und soll, wird heute und morgen diskutiert - wobei natürlich fraglich ist, welche Effekte diese Diskussionen dann haben werden. Blümel warnte in seiner Begrüßung jedenfalls vor übersteigerten Erwartungen: Die Enquete könne die medienpolitischen Herausforderungen nicht mit einem Fingerschnipp lösen, sie soll viel eher eine strukturierte, ehrliche Debatte lostreten.
Können österreichische Medien überleben?
Als "ein einziges großes Missverständnis" lernte Blümel die österreichische Medienpolitik nicht nur wegen der Aussagen von Politikern kennen, wie er sagt. Bei Terminen mit Vertretern aus allen Bereichen der Medienwelt etwa sei nur darüber gestritten worden, wer wieviel staatliche Förderungen bekommen soll. Und die zentralste Frage sei jene nach dem nächsten ORF-Generaldirektor.
Während es also immer nur um kleine Quereleien und Personaldebatten gehe, habe sich die Medienlandschaft rasant verändert. Dabei stelle sich die Frage, ob es in mehreren Jahren überhaupt noch eine pluralistische österreichische Medienlandschaft gebe. Wie könne man sicherstellen, dass es in Zukunft überhaupt noch österreichische Inhalte, besonders im digitalen Raum, geben?
Medien stünden bei den Werbeeinnahmen zunehmend unter Druck, die Nutzungsgewohnheiten veränderten sich ständig und sie sähen sich dabei "asymmetrischen" Wettbewerbern wie Google, Facebook oder Amazon gegenüber. Diese nutzen Inhalte gratis, die in professioneller und kostenintensiver Arbeit erstellt werden. Wenn man sich vor Augen halte, dass das gesamte digitale Wachstum ausschließlich Google und Facebook nutze, dann begreife man die Dimension der Veränderung, gab Blümel zu bedenken. Sollte dies so weitergehen, werde es künftig entweder gar keine österreichischen Medien mehr geben oder nur noch staatlich finanzierte. Dies wäre nicht nur standortpolitisch schlecht, sondern "demokratiepolitisch schlichtweg eine Katastrophe", so der Minister.
Die zweitägige Medienenquete wird sich sechs Schwerpunktthemen widmen, darunter Public Value, Finanzierung oder Wettbewerb. Nach Blümels Eröffnung starteten die drei Keynote-Speaker Mathias Döpfner, Präsident des Bundesverbandes deutscher Zeitungsverleger, Gerhard Zeiler (Turner International) sowie EU-Kommissarin Vera Jourova.
ORF III überträgt beide Tage live >>>
Zum Vortrag von Mathias Döpfner>>>
Zum Vortrag von Gerhard Zeiler >>>
(rovi)