Migration über das Mittelmeer verschiebt sich Richtung Spanien

Das Rettungsschiff Aquarius konnte nach einer Odyssee im Mittelmeer in Spanien anlegen.
Das Rettungsschiff Aquarius konnte nach einer Odyssee im Mittelmeer in Spanien anlegen. (c) APA/AFP/PAU BARRENA
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Die Gesamtzahl der Migranten sinkt. Aber auf der iberischen Halbinsel kamen heuer 15.000 Menschen an.

Madrid/Rom. Die Aufnahme des humanitären Rettungsschiffes Aquarius, das Mitte Juni mit 630 Schiffbrüchigen im spanischen Hafen Valencia festmachte, scheint eine Sogwirkung zu entfalten. Mehr als 100 weitere Migrantenboote mit insgesamt nahezu 2500 Menschen an Bord wurden seitdem vor der spanischen Küste aufgefischt. Nach weiteren Flüchtlingsschiffen, die einen Notruf absetzten, wird noch gesucht.

Schon länger ist sichtbar, dass die Schlepper in Nordafrika immer mehr wackelige Boote Richtung Spanien schicken. In Italien geht die Zahl der Ankünfte derweil stark zurück, eine Tendenz, die bereits vor der spanischen Einladung an die Aquarius erkennbar war. Vor der Küste Siziliens wartet derzeit ein dänisches Containerschiff mit etwas mehr als 100 Flüchtlingen. Zuvor hatte die Küstenwache die „Alexander Maersk“ gebeten, die Migranten zu retten. Ob das Schiff einen italienischen Hafen ansteuern kann, ist nicht klar. Roms ultrarechter Innenminister Matteo Salvini hat Hilfsorganisationen dezidiert untersagt, Kurs auf Italien nehmen zu dürfen.

Indessen hat das Rettungsschiff „Lifeline“ Salvini an Bord eingeladen: „Wir haben kein Menschenfleisch, sondern Personen an Bord“, twitterte die Crew am Sonntag mit Bezug auf ein Wort, das Salvini im Zusammenhang mit Migranten benutzte. Die „Lifeline“ mit fast 240 Flüchtlingen irrt derzeit im Mittelmeer, da Italien und Malta die Einfahrt verweigert haben. Am Samstag hatte der maltesische Ministerpräsident, Joseph Muscat, die „Lifeline“ aufgefordert, das maltesische Gewässer zu verlassen.

„Zeichen der Solidarität gesetzt“

Zum größten südeuropäischen Zielland für Flüchtlinge könnte aber Spanien werden. „Mit der Aufnahme der Aquarius haben wir ein Zeichen der Solidarität gesetzt. Aber eine humanitäre Krise ist die eine Sache und Migrationspolitik die andere“, sagte der spanische Premier Pedro Sanchez im Vorfeld des EU-Treffens am Sonntag. Er sprach sich für eine europäische Lösung aus. Auf der iberischen Halbinsel kamen laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR seit Jahresbeginn bereits rund 15.000 Menschen an – per Boot oder in den Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla. Das waren mehr als doppelt so viel wie im selben Zeitraum des Vorjahres.

In Italien registrierten die UNHCR-Helfer bis zum Stichtag 22. Juni mit annähernd 16.200 noch etwas mehr Ankünfte. Aber auch wenn die italienische Regierung derzeit am lautesten schreit: Die Entwicklung geht dort steil nach unten. Es trafen bisher 75 Prozent weniger Zufluchtssuchende ein als im Vorjahr. Spanien überholte inzwischen auch Griechenland: Dort kommen über die östliche Mittelmeerroute inzwischen zwar ebenfalls wieder mehr Migranten – das UNHCR zählte bis zum Stichtag annähernd 12.800 Bootsflüchtlinge. Aber die Zunahme ist sehr viel gemäßigter als im Falle Spaniens.

Die meisten Flüchtlinge sind aus Syrien

Die Migrationswege über das Mittelmeer verschieben sich also – vor allem Richtung Spanien. Dies ist den Hindernissen auf der bisherigen zentralen Mittelmeerroute zuzuschreiben. Die EU-Kooperation mit Libyen wie auch Italiens immer restriktiverer Kurs scheinen eine abschreckende Wirkung zu entfalten. Zuvor war bereits der östliche Mittelmeerweg nach Griechenland durch ein EU-Abkommen mit der Türkei erschwert worden. Aus Sicht Brüssels war die bisherige Flüchtlingspolitik durchaus erfolgreich. Die Gesamtzahl der Mittelmeermigranten sinkt deutlich: Bisher kamen in 2018 etwa 44.000 Menschen an den südeuropäischen Küsten an. Damit hat sich die Zahl der Ankünfte, im Vergleich zum Vorjahr, nahezu halbiert.

Die größte Migrantengruppe, die über das Mittelmeer kommt, bilden laut UNHCR-Statistik mit rund 20 Prozent weiterhin die Syrer; gefolgt von Irakern, Tunesiern, Eritreern, Afghanen sowie Menschen aus den westafrikanischen Armutsländern. (rs/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2018)

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