Handelsstreit: Warum Autozölle kommen werden

„Ich will keinen Mercedes mehr auf der Fifth Avenue sehen“, wird Donald Trump von Diplomaten zitiert.
„Ich will keinen Mercedes mehr auf der Fifth Avenue sehen“, wird Donald Trump von Diplomaten zitiert. (c) Getty Images (Robert Alexander)
  • Drucken

Wenn Trump 25 Prozent Zoll auf Autoimporte verhängt, kostet das die US-Käufer 45 Mrd. Dollar. Aber sind die bisherigen EU-Autozölle „unfair“? Soll man sie senken?

Wien. Die Autohersteller in den USA schlagen Alarm: Wenn Donald Trump seine Drohung wahr macht und (im Extremfall) 25 Prozent Zoll auf alle importierten Fahrzeuge verhängt, sind die ersten Opfer die amerikanischen Verbraucher. Sie müssten beim Autokauf im Schnitt um 5800 Dollar mehr auf den Tisch legen. Was sich auf 45 Mrd. Dollar pro Jahr summiert und die Vorteile aus der US-Steuerreform „großteils zunichtemacht“. Das rechnet die Alliance of Automobile Manufacturers vor. In ihr kämpfen deutsche und japanische Anbieter, die Werke vor Ort haben, Seite an Seite mit GM, Ford und Chrysler. Denn auch für die „echten“ US-Hersteller würden die Kosten steigen, weil der Zoll ebenso für importierte Teile gilt. Schon die Strafzölle auf Aluminium üben Druck auf die Kfz-Verkaufspreise aus.

Aber der US-Präsident scheint wild entschlossen – konkret zu einem Zoll von 20 Prozent auf Autoimporte aus der EU. Am Dienstagabend drohte er erneut: Europa habe die USA „schon seit Langem ausgenutzt“. Aber „am Ende wird alles ausgeglichen – und es wird nicht lange dauern“. Denn: „Wir beenden unsere Untersuchung.“ Dabei geht es um die Prüfung, ob Autoimporte eine Gefährdung der nationalen Sicherheit bedeuten – was auch aus Sicht vieler republikanischer Abgeordneter noch weit fragwürdiger erscheint als beim Stahl. Aber nur auf dieser Basis darf ein US-Präsident an den Gesetzgebern vorbei eigenmächtig „Schutzzölle“ verhängen. Freilich verdrehen Juristen die Augen über Trumps Tweets. Indem er das Ergebnis der Prüfung vorwegnimmt und seine wahren Motive nennt, gibt er indirekt zu, dass die „Sicherheit“ nur ein vorgeschobenes Argument ist – was die Entscheidung vor US-Gerichten und der Welthandelsorganisation (WTO) leicht anfechtbar macht. Handelsminister Ross stellte den Abschluss der Prüfung mit Ende Juli in Aussicht, nun dürfte es schneller gehen. In Deutschland rechnet man fix mit der Eskalation: „Trump wird Autozölle erheben, und wir werden dabei alle verlieren“, sagt Dieter Kempf resignativ. Der Präsident des deutschen Industrieverbands BDI befürchtet „extreme Auswirkungen“ und eine „Gefährdung unseres Wohlstands“.

„Rhetorik nicht auf den Leim gehen“

Wäre es da nicht besser, Trump entgegenzukommen? Die EU verhängt heute auf das Gros der Autoimporte aus den USA einen Zollsatz von zehn Prozent, umgekehrt sind es nur 2,5 Prozent – das ist der primäre Stein des Anstoßes. Warum nicht einfach den Zollsatz auf null reduzieren, möglichst auf beiden Seiten? Dafür plädieren neben Teilen der US-Regierung auch deutsche Autobauer. Aber so einfach ist das nicht. Da es kein Handelsabkommen zwischen Europa und Amerika gibt, gelten die WTO-Regeln und damit die Meistbegünstigungsklausel. Das heißt: Wenn die EU einem Land einen Zoll erlässt, muss sie diese Befreiung weltweit allen Staaten einräumen, etwa auch China oder Indien. Brüssel könnte das nicht selbst entscheiden. Und EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström ist überzeugt: „Dem würden die Mitgliedstaaten nicht zustimmen.“ Dazu käme die fatale Optik, dass Europa vor Trump in die Knie geht. „Wir verhandeln nicht, wenn man uns die Pistole an die Schläfe hält“, lautet bisher das Mantra. Die geltenden Zölle wurden lange ausverhandelt. Man hat sie 1995 in der WTO festgeschrieben, „freiwillig jeder für sich“, wie Eric Schweitzer betont, Präsident des deutschen Arbeitgeberverbands DIHK. Deshalb dürfe man der Fairness-Rhetorik „nicht auf den Leim gehen“. Zumal es umgekehrt eine ganze Reihe von Warengruppen mit sehr relevanten Umsätzen gibt, bei denen die USA höhere Zölle erheben, etwa auf Kleinlastwagen (22,4 Prozent), Milchprodukte (20,3 Prozent) oder Erdölprodukte (7,2 Prozent).

Ob das bisherige Zollregime zwischen den beiden Handelspartnern „fair“ ist, lässt sich also nur in Summe beantworten. Das Ifo-Institut liefert dazu die Daten. Das Ergebnis der Münchner: Im Schnitt sind die Sätze auf beiden Seiten niedrig. Die EU verrechnet im Mittel (Median) mit 3,3 Prozent etwas mehr als die Amerikaner mit 2,3 Prozent. Schränkt man die Betrachtung auf Bereiche ein, in denen Zölle wirklich schmerzen, weil sie hoch sind und ein relevantes Volumen gehandelt wird, schrumpft die Differenz fast auf null. Absolut betrachtet, zahlen die Europäer mit 7,1 Mrd. Dollar sogar um ein Viertel mehr Zollgebühren an die Amerikaner als umgekehrt. Eben weil sie einen Handelsüberschuss erzielen – der, wie die Zahlen nahelegen, kaum an unfairen Unterschieden bei den Zollhöhen liegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Auto-Importzölle würden US-Verbraucher 45 Milliarden Dollar kosten

Wie sich Donald Trumps Importzölle auf US-Autokäufer auswirken würde? Sie müssten 5800 Dollar mehr beim Autokauf auslegen. Das hat ein besorgter Branchenverband vorgerechnet.
FILES-US-TRADE-EU-MANUFACTURING-HARLEY
Unternehmen

Trump prophezeit Aus für US-Ikone Harley-Davidson

Der US-Präsident droht dem US-Motorradbauer mit hohen Steuern, wenn die Harley in einem anderen Land gebaut werde.
Österreich

Trump rügt Harley-Davidson für Flucht vor Zöllen

Motorradhersteller Harley-Davidson kann mit der "America first"-Politik von Donald Trump nichts anfangen und verlagert Teile der Produktion ins Ausland. Der US-Präsident ist enttäuscht. "Ich habe hart für sie gekämpft", twittert er.
Morgenglosse

Da lachen doch die Inder

In Europa verkaufte Harleys dürften künftig statt aus den USA aus Indien kommen. Ein Szenario, das sich bei einer weiteren Eskalation des Handelsstreits auch andersrum wiederholen könnte.
Harley-Davidson bikes are seen at the 'Hamburg Harley Days' in Hamburg
Unternehmen

Harley-Davidson verlagert Teile der Produktion weg von den USA

Die Maßnahme der Verlagerung wird laut Unternehmen neun bis 18 Monate brauchen. Die Werke in Brasilien, Indien und Thailand sollen ausgebaut werden.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.