Wir bewerten bis zu 800 Mal am Tag – Dinge genauso wie Menschen. Problematisch wird es, wenn die zwischenmenschliche Begegnung wegfällt und die Notenvergabe nur mehr digital erfolgt. Auf diversen Apps lassen sich Jugendliche freiwillig schonungslos von jedem bewerten.
Soziale Medien sind nichts für schwache Nerven. Vor allem nicht, wenn man ein Teenager ist. „Du bist so eine Nutte und redest hinter einem her“, „Deine Mutter muss dir ins Gesicht geschlagen haben“, „Dein Gesang hört sich an wie ein Jaulen“ oder „Ich glaube, du hasst mich, obwohl ich dir nicht einmal was getan habe“. Nachrichten wie diese sind keine Seltenheit in der App Tellonym. Sie werden nicht einfach in den Äther geschrieben, sondern sind gezielt an Personen gerichtet. Meist Jugendliche (aber auch Erwachsene) setzen sich dem virtuellen Pranger aus – freiwillig –, indem sie sich registrieren und damit quasi um anonymes Feedback betteln. „Tellonym ist der ehrlichste Ort im Internet. Finde heraus, was deine Freunde von dir halten“, wird die App online beworben. Was genau dieses Herausfinden mit uns macht – als Gesellschaft und mit jedem einzelnen –, bedenken dabei die wenigsten.
Immerhin zwölf Prozent der österreichischen Jugendlichen verwenden Tellonym, das ergab der Jugend-Internet-Monitor der Initiative Saferinternet.at im März 2018, für den 400 Jugendliche im Alter von elf bis 17 Jahren befragt wurden. „Die App ist bei jungen, verunsicherten Mädchen mit wenig Selbstbewusstsein beliebt, die gehofft haben, hier nettes Feedback zu bekommen“, sagt Barbara Buchegger von der Initiative. „Aber diese Rechnung geht natürlich nicht auf“.