Richter lehnen geplantes Gesetz zur Standortentwicklung ab

EU-RATSVORSITZ - INFORMELLER EU-RAT WETTBEWERB BINNENMARKT UND INDUSTRIE: SCHRAMBOeCK
EU-RATSVORSITZ - INFORMELLER EU-RAT WETTBEWERB BINNENMARKT UND INDUSTRIE: SCHRAMBOeCKAPA/HANS PUNZ
  • Drucken

Die Liste der Kritiker nimmt fast täglich zu. Auch das Verkehrsministerium zeigt sich nicht ganz glücklich mit dem Vorschlag.

Die Reihe der Kritiker am geplanten Standortentwicklungsgesetz wurde zum Begutachtungsende vergangenen Freitag noch länger. Das Gesetz, dass die Genehmigung von Großprojekten beschleunigen soll, erfüllt diese Aufgabe nicht, warnt der Rechnungshof (RH). Die Richtervereinigung ortet einen klaren Rechtsbruch durch das Gesetz, das mit 1. Jänner 2019 in Kraft treten soll.

"Der Entwurf (...) sieht nach Ansicht des RH jedoch keine verfahrensbeschleunigenden, sondern vielmehr verfahrensbeendende Regelungen vor, so dass der im UVP-G vorgesehene Ausgleich der Interessen des Antragstellers, der öffentlichen Interessen und der Interessen der weiteren Verfahrensbeteiligten im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nicht mehr ausreichend stattfinden könnte", schreibt der Rechnungshof in seiner Stellungnahme. Außerdem fordert das Kontrollorgan mehr Transparenz bei den Entscheidungsprozessen.

Mehrkosten durch Beirat

Weiters verursache das geplante Gesetz Mehrkosten, unter anderem durch die Einrichtung eines neuen, aus sechs Personen bestehenden Standortentwicklungsbeirats. "Der Entwurf sieht somit einerseits neue Verwaltungsaufgaben und -abläufe vor, andererseits könnte die Verfahrensbeschleunigung erhöhte Personalressourcen erfordern. Daraus kann ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand resultieren", so der Rechnungshof.

Noch deutlicher ist die Kritik der Richtervereinigung: "Der Entwurf entspricht in mehreren Punkten nicht den verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben und ist daher in dieser Form abzulehnen. Aus der Verzahnung eines Neuerungsverbotes schon vor der Verwaltungsbehörde und der Einschränkung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes durch § 12 des Gesetzes kann es zu erheblichen Rechtsschutzlücken kommen und wird der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz ausgedünnt."

Mit dem geplanten Gesetz würden die Parteienrechte beschnitten. Im übrigen habe es der Antragsteller durch die Zwölf-Monate-Frist in der Hand "durch (allenfalls verzögerte) Vorlage von unzureichenden, unvollständigen Unterlagen, die einem Verbesserungsverfahren zuzuführen sind, den Fristablauf abzuwarten und auf diese Weise die automatische Genehmigung zu erwirken", gibt der Rechnungshof zu bedenken.

Genehmigung trotz mangelnder Einreichunterlagen?

Das Verkehrsministerium begrüßt die anvisierte Verfahrensbeschleunigung durch das Standortentwicklungsgesetz, dennoch sieht auch das Ministerium die Gefahr, dass durch mangelhafte Einreichunterlagen und der daraus resultierenden Verzögerung ein Projekt nach Fristablauf automatisch genehmigt wird.

Mit dem umstrittenen Standortentwicklungsgesetz (StEntG) will Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) Großprojekte "im besonderen Interesse der Republik" rascher genehmigen - auch wenn das zugehörige Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nicht abgeschlossen ist.

Anträge für "standortrelevante" Großprojekte können von Landeshauptleuten und der Regierung eingebracht werden. Ein Expertengremium, der Standortentwicklungsbeirat, soll die beantragten Vorhaben beurteilen und eine Empfehlung abgeben. Dieser wird eigens dafür geschaffen.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Flughafen Wien (Tower)
Innenpolitik

Kritik an Standortpolitik: "Massivster Rückschritt im Umweltbereich seit Jahren"

Landespolitiker äußern massive Bedenken. Das Wirtschaftsministerium will nun prüfen, ob es sich "um konkrete Verbesserungsvorschläge oder reflexartige Ablehnung handelt".
++ THEMENBILD ++ LOBAUTUNNEL: UeBERSICHT GEPLANTE TRASSENFUeHRUNG
Österreich

Standortpolitik: Liste der Kritiker wird immer länger

Nun haben auch der Städtebund und die Rechtsanwaltskammer ihre Ablehnung zum Standortentwicklungsgesetz geäußert. Das Tiroler Landesverwaltungsgericht sieht rechtsstaatliche Prinzipien verletzt.
THEMENBILD: AIR BERLIN / NIKI
Home

Standortentwicklungsgesetz: Experten zweifeln an Rechtmäßigkeit

Das Gesetz, das bis Ende der Woche in Begutachtung gehen soll, wird von Juristen kritisch gesehen. Besonders bedenklich sei das Neuerungsverbot.
Die Umweltverträglichkeitsprüfung gilt für Windräder und für Flughafen-Großprojekte. Manchmal dauert sie Jahre.
Österreich

Standortentwicklung: Schneller zu Großprojekten

Das umstrittene „Standortentwicklungsgesetz“ passierte heute den Ministerrat. Die ÖVP rechnet mit 15 Anträgen im Jahr.
Um die dritte Piste für den Flughafen Wien Schwechat gab es ein jahrelanges Tauziehen, derart komplexe Fälle sind freilich selten. Für einen Gesetzesentwurf zur Beschleunigung von UVP- Verfahren setzte es nun harsche Kritik.
Österreich

Standortgesetz hat schweren Stand

Unionsrechtswidrig? Am geplanten Standortentwicklungsgesetz, das Umweltverfahren beschleunigen soll, setzte es massive Kritik. Nun steht eine Überarbeitung an.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.