„Ich bin Kanzler“: Strache alias der „gereifte“ Staatsmann

FPÖ-Chef Strache beim ORF-Sommergespräch in der Wachau. Dabei wurde erstmals kein Mineralwasser bestellt. Strache orderte einen „G'spritzen“, die Moderatoren schlossen sich an. Zeit zum Trinken gab es nicht. Und es wurde auch nicht geraucht, obwohl Strache um einen Aschenbecher gebeten hatte.
FPÖ-Chef Strache beim ORF-Sommergespräch in der Wachau. Dabei wurde erstmals kein Mineralwasser bestellt. Strache orderte einen „G'spritzen“, die Moderatoren schlossen sich an. Zeit zum Trinken gab es nicht. Und es wurde auch nicht geraucht, obwohl Strache um einen Aschenbecher gebeten hatte. APA/HERBERT PFARRHOFER
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Der Besuch von Kremlchef Putin bei der Hochzeit der Außenministerin sei Zeichen purer Wertschätzung, betont der Vizekanzler im ORF-"Sommergespräch". Mit Sebastian Kurz trage er "Verantwortlichkeit" und das Wort "Kanzler" im Namen. Was ihm noch fehlt: ein Rekord.

Heinz-Christian Strache ist ein Routinier in Sachen ORF-„Sommergespräche“. Seit dem Jahr 2005 steht er der FPÖ als Bundesparteiobmann vor – und stellte sich als Oppositionsführer den Fragen etlicher Moderatoren. Seine Antworten fielen dabei zuweilen harsch aus. Von Asylwerbern, die „schreien, spucken“ war da die Rede gewesen. Das änderte sich 2015: Erstmals saß ein „weltoffener“ Strache im TV-Studio. Souveräner Staatsmann statt aggressiver Angreifer lautete das Motto – das bis gestern, Montag, Abend, beibehalten wurde, als der 49-Jährige erstmals als Regierungsmitglied beim „Sommergespräch“ erschien.

>>> Der Aschenbecher, der in Erinnerung bleibt

Ob er im Amt des Vizekanzlers bereits angekommen sei, lautete entsprechend eine der ersten Fragen, die Strache vom Moderatorenduo Nadja Bernhard und Hans Bürger gestellt wurde. „Ich bin immer der geblieben, der ich war. Ich bin ein sehr bodenständiger Mensch“, antwortete der Freiheitliche darauf. Wobei er sicher „gereift“ sei. Und: „Natürlich tut mir auch meine geliebte Ehefrau sehr gut.“

„Wir nehmen keine neuen dazu“

Ob der Traum von der Kanzlerschaft ausgeträumt sei? „Ich bin ja Kanzler“, konterte Strache – „als Vizekanzler trage ich Kanzler im Namen“. Gemeinsam mit Regierungschef Sebastian Kurz (ÖVP) hätte er den Wählern gegenüber eine „Verantwortlichkeit“, die von beiden „korrekt gelebt“ werde. Und zählte auf: Man habe ein Fremdenrechtspaket geschaffen, sorge für den Außengrenzschutz und für die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit.

Gemeint ist: Was seit dem Jahr 2012 erlaubt ist, soll nun untersagt werden. Konkret: Der Erlass des damaligen Sozialministers Rudolf Hundstorfer (SPÖ), wonach es Asylwerbern bis 25 Jahren gestattet ist, eine Lehrlingsausbildung in einem Mangelberuf zu absolvieren, werde aufgehoben, so Strache. Die Begründung: „Nur, wer ein Bleiberecht hat oder ein anerkannter Flüchtling ist, soll künftig eine Lehre beginnen dürfen.“ Alle, die schon jetzt eine solche absolvieren, sollen diese fertig machen dürfen, „aber wir lassen keine neuen dazu“, führte Strache aus. Denn: „Wir haben 60.000 junge Menschen in Österreich, die jünger als 25 Jahre und in der Mindestsicherung sind.“ Diese hätten zum Teil keine Lehrausbildung, keinen Job.

Die Bundesregierung trage die Verantwortung, ihnen sowohl Ausbildung als auch Arbeitsstelle zu ermöglichen. „Man muss sich auf die Rechtsstaatlichkeit verlassen können“, betonte Strache. Und kündigte an: Die „Rot-Weiß-Rot“-Karte müsse weiter evaluiert werden. Und mehr Tempo an den Tag gelegt werden: Binnen sechs Monaten „soll jeder Antrag rechtskräftig abgearbeitet werden“, erläuterte der Freiheitliche.

Zwischen „Tanzdiplomatie“ und Superlativen

Damit nicht genug der Vorhaben: Man plane eine Steuerreform, sodass den Bürgern „mehr Netto vom Brutto“ bleibe, meinte Strache. Zudem werde Türkis-Blau als Regierung in die Annalen eingehen, die „keine neuen Schulden macht“, gestatte er sich Vorschusslorbeeren.

Auf das Eigenlob folgte umgehend ein Versprecher: Konfrontiert mit dem durchgesetzten Zwölf-Stunden-Tag, gegen den Strache noch als Oppositionspolitiker gewettert hatte, meinte er nun: „Es bleibt ein gesetzlicher Acht-Stunden-Tag und eine 40-Stunden-Woche“, wer mehr arbeiten möchte, dürfe das nun. Überdies habe „die SPÖ genauso unehrlich agiert“. „Genauso?“, hob Bernhard hervor, wovon Strache sodann abzulenken versuchte, was ihm letztlich gelang.

Stattdessen wurde ein „privates“ Thema angeschnitten: Der Besuch von Kremlchef Wladimir Putin bei der Trauung von Außenminister Karin Kneissl. Das sei eine „wertschätzende Geste“ gewesen, rechtfertigte Strache die „Tanzdiplomatie“. Es sei wichtig, „Gesprächskanäle“ nach Russland offen zu halten. Zudem betonte der Parteiobmann einmal mehr, dass er (nach der Einstellung des Verfahrens um das sogenannte NS-Liederbuch) für die Rückkehr des ehemaligen niederösterreichischen Spitzenkandidaten Udo Landbauer in die Politik eintrete. Immerhin sei Landbauer jetzt „voll rehabilitiert“ und werde „seiner Verantwortung nachkommen und in den Landtag einziehen“.

Gegen Ende der Sendezeit, war dann auch noch Zeit für die Causa BVT. Einen Kratzer im Ansehen Österreichs ortete Strache deshalb nicht, vielmehr lobte er Herbert Kickl als „besten Innenminister der Zweiten Republik“. Apropos Superlativ: Den Rekord an „Sommergesprächen“ hält Jörg Haider mit 15 Auftritten, Strache liegt derzeit bei zwölf – oder 13, da war sich der Vizekanzler dann doch nicht ganz sicher.

Nächste Woche folgt SPÖ-Chef Christian Kern. Am 10. September gehen die diesjährigen „Sommergespräche“ mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ins Finale. 

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