Essen für das ökologische Gleichgewicht: Signalkrebse haben gegen Herbst hin Hochsaison. Die eingeschleppten Kämpfernaturen zu dezimieren ist das Ziel.
Die Verkäuferin habe sich schon gewundert, erzählt Andreas Haas: Drei Männer, die nach Damenstrümpfen fragen? Die Auflösung: In die hauchdünnen Strümpfe, später am Ufer der Donau in Stücke zerschnitten, kommt jenes Futter, das die omnivoren Signalkrebse anlocken soll. "Ich nehme Fischfutter. Karkassen gehen auch. Manche nehmen Katzenfutter, aber da weigere ich mich", sagt der vollbärtige Gewässerökologe, der für die Österreichischen Bundesforste fast im ganzen Land unterwegs ist. Zartbesaitet sind die Signalkrebse nicht: "Je mehr es stinkt, desto besser. Meine Oma hat tote Frösche in der Sonne ranzig werden lassen." Als Nahrung für die Krebse, die seine Großeltern noch in großem Stil gesammelt haben.
Welche Rolle Österreichs Krebswirtschaft noch zur Jahrhundertwende international gespielt hat, ist heute den wenigsten bewusst. Der Krebs war sowohl ein Arme-Leute-Essen als auch lange Zeit am Hof begehrt, Kochbücher vergangener Jahrhunderte liefern seitenweise Rezepte für Krebsbecherl, "Ein Krebß Schmarn" oder "Krebsen koch". Rezepte, die massenhaft Krebse erforderten. "Im Jahr 1900 lieferte Österreich noch 378 Tonnen (!) Krebse nach Deutschland und circa drei Millionen Stück nach Paris", weiß man beim Österreichischen Fischereiverband. Wie die hier heimischen Krebse aussehen (kulinarisch interessant sind vor allem der Flusskrebs alias Edelkrebs und der Signalkrebs, weniger der fast ausgerottete Steinkrebs), wissen heutzutage viele nicht mehr; selbst wenn sie diese Tiere auf dem Teller durchaus zu schätzen wissen. Postet man etwa ein Foto eines gekochten, also leuchtend roten Signalkrebses auf Facebook, wird dieser prompt für einen Hummer gehalten.
Für den Menschen völlig unbedenklich
Signalkrebse, also die Mitte des 20. Jahrhunderts eingeschleppte amerikanische Art, zu essen, ist im Sinne des ökologischen Gleichgewichts nur zu empfehlen bei allen reflexhaften Einwänden vonseiten übereifriger Tierschützer. Das meinen nicht nur die Österreichischen Bundesforste, die schon Krebssammelaktionen initiiert haben und bei Fragen zu Angelkarten und Pachtgewässern behilflich sind. Der Signalkrebs überträgt die Krebspest (einen Pilz, der für den Menschen völlig unbedenklich ist) an die heimischen Krebsarten, Organversagen ist die Folge. Selbst ist der Signalkrebs freilich immun.
Signalkrebse zu sammeln und zu essen hilft also, das ökologische Gleichgewicht in Österreichs Gewässern wiederherzustellen auch wenn die Dimensionen auf den ersten Blick bescheiden wirken mögen. Alles hilft, meint Andreas Haas. Man wolle ja nicht so vorgehen wie Schweizer Kollegen, die so erpicht darauf sind, ihre heimischen Krebse zu schützen, dass sie vorsätzlich "ganze Gewässer mit Gülle leergeräumt haben. Da waren natürlich alle Signalkrebse tot, aber eben auch sonst alles Leben", sagt der Gewässerökologe. "Dann wurden Edelkrebse wiederangesiedelt. Aber nach zwei, drei Jahren waren die Signalkrebse erst recht wieder da."
Diese nachtaktiven Gliederfüßer, die bis zu zehn Jahre alt werden können, sind Kämpfernaturen. Das wird auch beim Ausflug in die Wachau klar. Einige Reusen hat Andreas Haas schon am Vorabend gesetzt. Oder, besser gesagt, an einem dünnen Seil in die Donau geworfen krebsfreundlich übel riechendes Damenstrumpf-Lockfutter inklusive. Das Seil wird am Ufer befestigt. Dann heißt es warten. Die Reusen sind so konstruiert, dass die Krebse hineinfinden, aber nicht mehr hinaus. Mitunter wird auch eine der dominanten Schwarzmeergrundeln angelockt, von denen es derzeit an manchen Abschnitten der Donau nur so wimmelt.
Die Signalkrebse erkennt man an den hellen Flecken auf den Scheren. Die Wahrscheinlichkeit, dass man einen Edelkrebs fängt, ist aber aufgrund der raren Bestände ohnehin denkbar gering. Wie man die Tiere aus den Reusen holt, wenn man keine "Tätowierung" will, wie Andreas Haas die Zwickmale an den Fingern nennt: Man nähert sich ihnen mit der Hand von hinten oder zumindest von oben und packt sie am Brustpanzer. So weit die Krebse auch die Scheren ausfahren können die Hand ist damit erst einmal in Sicherheit. Scherze, wie etwa die Tiere jemandem anderen knapp vor die Nase zu halten, sollte man sich lieber verkneifen. "Es tut unglaublich weh, wenn die Scheren zupacken."
"Viel Zeit zum Reden"
Robert Kamleitner, er hat in diesem Donauabschnitt das Fischereirecht gepachtet, hält schon einen mit Flusswasser und Ästen gefüllten Kübel bereit. Darin werden die Signalkrebse, die von Haas spontan Namen wie Maxi oder, wenn besonders kraxelfreudig, Reinhold Messner bekommen, für den Heimtransport gesammelt.
Später werden die Tiere so getötet, wie Haas es als einzige zulässige Art angeordnet hat: "Kopfüber in kochendes Wasser. Sie sind auf der Stelle tot." Das Fleisch aus dem Schwanz wird herausgelöst, jenes aus den Scheren durch Knacken erobert oder, wie Haas es macht, mit dem abgebrochenen schmäleren Scherenteil herausgepult. Die Hände haben ordentlich zu tun. "Beim Krebsessen hat man immer viel Zeit zum Reden."
Gut zu wissen
Krebse sammeln ohne Lizenz gilt als Schwarzfischerei und ist kein Kavaliersdelikt. In Niederösterreich etwa muss man eine gültige Fischerkarte oder eine gültige Fischergastkarte, einen Lichtbildausweis und eine Lizenz vorweisen können. Wichtig ist es, Gummistiefel und andere Ausrüstung nach Gebrauch zu desinfizieren (etwa einfach mittels UV-Licht), damit man den Krebspest-Erreger nicht in womöglich unbefallene Gewässer überträgt.
Informationen zu Pachtgewässern und Angelkarten bieten etwa die Österreichischen Bundesforste auf www.bundesforste-fischerei.at und der Österreichische Fischereiverband auf www.fischerei-verband.at.
("Die Presse-Schaufenster", Print-Ausgabe, 31.08.2018)