Junge Milliardäre, alte Zeitungen

Amazon-Gründer Jeff Bezos kaufte die gute alte „Washington Post“.
Amazon-Gründer Jeff Bezos kaufte die gute alte „Washington Post“.(c) REUTERS (Isaiah Downing)
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Amazon-Gründer Bezos kaufte die „Washington Post“, Signa-Chef Benko steigt bei „Krone“ und „Kurier“ ein. Was reizt junge Milliardäre bloß an alten Zeitungen?

Wien. Als im Herbst 2013 Amazon-Gründer Jeff Bezos die gute alte „Washington Post“ kaufte, war das für viele Zeitungsmenschen ein Kulturschock. Ausgerechnet jener Mann, der mit seinem Onlineversand weltweit Millionen Jobs im Einzelhandel gekillt hat, seine Mitarbeiter mehr oder weniger ausbeuten soll und kein Steuerschlupfloch auslässt, ausgerechnet der bestimmt über das Blatt, das einst die Watergate-Affäre aufgedeckt hat? So mancher sah schon die schwarzen Fahnen vom Gebäude in der K Street wehen.

Fünf Jahre später steigen nicht nur die Abo-Zahlen der „Post“, es werden auch Journalisten eingestellt. Online-Redakteure, aber vor allem auch investigative Journalisten. Don Graham, der Chef der einstigen Verlegerfamilie, betonte jüngst, warum er damals seine Zeitung um 250 Millionen Dollar verkauft hat. „Wir brauchten jemanden, der das Internet versteht“, sagte er.

Noch ist nicht gesagt, ob der Zulauf zu den amerikanischen Qualitätsblättern mehr mit Donald Trumps Eskapaden und der damit verbundenen „Politisierung“ der Gesellschaft zu tun hat oder mit Internet-Verstehern wie Bezos. Er scheint aber sein digitales Erfolgsrezept auch auf die „Post“ umgelegt zu haben. Und das lautet: Die Kunden, also die Leser, sind alles! „Sie sind für uns die einzigen Kunden. Nicht die Inserenten, nicht die Zulieferer, nicht die Politik. Nur die Leser“, sagte Bezos vor wenigen Tagen. Was vordergründig wie ein Eigeninserat klingt, wurde bei der „Post“ tatsächlich umgesetzt.

Zufällig wiederholt sich diese „Junger Milliardär sucht altes Blatt“-Geschichte jetzt in Österreich. Auch bei uns sorgt der Einstieg des Immobilienmilliardärs René Benko in die Medienbranche für wüste Spekulationen. So mancher sieht ihn als „Kampfansage“ an die „Kronen Zeitung“-Eigentümerfamilie Dichand.

Benkos Signa-Gruppe hat 49 Prozent in der WAZ Ausland Holding gekauft und besitzt somit durchgerechnet etwa ein Viertel an „Krone“ und „Kurier“. Gekauft hat er diesen Minderheitsanteil von der deutschen Funke-Gruppe, der unter anderem „WAZ“, „Thüringer Allgemeine“, „Hamburger Abendblatt“ und „Berliner Morgenpost“ gehören. In Österreich sind sie seit 1987 aktiv, allerdings nicht besonders glücklich. Von Anfang an lagen sie mit den Dichands im Clinch. Schon lange heißt es, dass sie aus ihrem „Krone“-Abenteuer aussteigen wollten.

Dass ausgerechnet das Boulevardblatt „Österreich“ den „Krimi um Krone“ genüsslich ausbreitet, verwundert nicht. Soll doch „Österreich“-Chef Wolfgang Fellner einst selbst mit der Funke-Gruppe über einen „Krone“-Einstieg verhandelt haben.

Jetzt wird viel über Macht und Intrige spekuliert. Etwa darüber, dass die Familie Dichand den Deal juristisch bekämpfen könnte. Darüber, dass Benko den Dichands womöglich bald ein „attraktives Angebot“ machen werde, um sich die „Krone“ ganz aufzusetzen.

Fellner lässt über den „feindlichen“ Einstieg Benkos schreiben, „Krone“-Chefredakteur Christoph Dichand schweigt. Und auch bei Signa herrscht nach der Bekanntgabe des Deals und einem kurzen Statement Funkstille. Die Digitalisierung „löse die Grenzen zwischen traditionellen Geschäftsmodellen auf“, hatte Benko erklärt.

Spekulationen hin, Gerüchte her: Benko geht es – wie einst Bezos – darum, sein Geschäftsmodell um einen (Verkaufs-)Kanal zu erweitern. Und eine Boulevardzeitung mit mehr als zwei Millionen Lesern, mehr als 600.000 Abonnenten und der zweitwichtigsten Online-Nachrichtenseite (nach orf.at) ist ein sehr breiter Kanal.

Ach ja! Die meisten Spekulationen in den diversen Foren sehen Benkos Griff zur „Krone“ als einen Griff zu Macht und politischem Einfluss. Als ob Milliardäre dafür eine Krone bräuchten . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2018)

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