Im Visier deutscher Investoren stehen neben Wien vor allem Salzburg und Graz.
Wenn deutsche Immobilieninvestoren den österreichischen Markt ins Visier nehmen – was ungeachtet ihres überdurchschnittlich hohen Engagements in den letzten Jahren eigentlich schon immer der Fall war –, dann gilt ihr Interesse vor allem einer Destination: Wien. Dafür gibt es gute Gründe: Angefangen bei der Größe und der demografischen Entwicklung über die stabilen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bis hin zum vergleichsweise größeren Angebot an Core-Immobilien. Die Bundeshauptstadt hat nach den für Immobilieninvestoren wichtigen Maßstäben einfach klar die Nase vorn. „Bei zwei gleichwertigen österreichischen Produkten werden deutsche Investoren immer jenes in Wien kaufen“, sagt Franz Pöltl, Geschäftsführer EHL Investment Consulting. Aber auch sie würden die aktuelle Produktknappheit in allen Assetklassen spüren, weshalb sie auch bereit wären, in andere Bundesländer auszuweichen. Allerdings stünden dort ausschließlich die Landeshauptstädte im Fokus – vor allem, was den Büro- und Wohnbereich betreffe.
Im Retail- und Logistiksegment wären deutsche Investoren durchaus auch gewillt, Objekte in der Peripherie zu kaufen. Nur ein Beispiel: Die deutsche KGAL sicherte sich erst im Sommer zwei Fachmarktzentren – eines in St. Veit an der Glan und eines in Völkermarkt.
Bundesländer im Kommen
„Ob sich deutsche Investoren in den Landeshauptstädten engagieren, hängt von der jeweiligen Immobilie ab“, so Reinhard Prüfert, Geschäftsführer der ÖRAG Immobilien-Vermittlung und Abteilungsleiter Investment. Insgesamt sei dort das Angebot an interessanten Objekten aber nicht so stark ausgeprägt – und zwar in allen Assetklassen. Grundsätzlich sei aber die Bereitschaft da, in die Bundesländer zu gehen.
„Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Landeshauptstädte an Bedeutung zunehmen werden“, so Prüfert. Nachsatz: „Auch Städte wie Salzburg und Graz sind aufgrund des Bevölkerungswachstums für deutsche Investoren interessant.“
Wie Pöltl erklärt, sind deutsche Investoren in Österreich primär im Core-Bereich aktiv und damit an neuen und modernen Objekten in Toplagen, die gut und langfristig vermietet sind, interessiert. Was letztlich eine Core-Lage ist, unterscheide sich von Assetklasse zu Assetklasse. Im Bürobereich zählt der Experte dazu beispielsweise den zweiten Wiener Gemeindebezirk, die Gegend rund um den Hauptbahnhof oder Erdberg. Kein Thema sei dagegen die Innere Stadt. „Der erste Bezirk ist für deutsche institutionelle Investoren nicht umsetzbar, weil dort die Renditen zu gering sind“, so Pöltl.
Laut Prüfert interessieren sich deutsche Investoren grundsätzlich für die acht – vom Vienna Research Forum klassifizierten – Wiener Bürolagen. „Eine Voraussetzung für ein Investment ist jeweils eine entsprechend gute U-Bahn-Anbindung“, sagt er. Lagen mit guter Verkehrsanbindung stünden für deutsche Investoren aber auch im Wohnbereich – und damit in einem Segment, mit dem sich Anleger aus dem Nachbarland seit Kurzem intensiver beschäftigen – im Fokus. „Schließlich suchen sie nach Objekten, die gut vermietet werden können“, bringt es Prüfert auf den Punkt. So erwarb etwa der deutsche Investor Art-Invest die Bauteile eins bis fünf des ARE-Wohnprojekts „Das Ensemble“ an der Erdberger Lände. Die Bauteile neun und zehn gingen an die deutsche Tochter von Aberdeen.
Begehrte Innenstadt
Wiener Retailimmobilien stehen aufgrund des zu geringen Angebots jedenfalls nicht an vorderster Front bei deutschen Investoren, auch im Logistiksegment ist das Angebot an interessanten Objekten in der Bundeshauptstadt einfach zu schwach ausgeprägt.
Für deutsche Einzelhändler ist die Wiener Innenstadt aber durchaus ein interessantes und gefragtes Pflaster. Thomas Bellina, Managing Director bei Colliers International, verweist auf Manufactum, das kürzlich das erste Warenhaus außerhalb Deutschlands am Hof eröffnete.
LOGISTIK IM BLICK
Es ist zwar nur eine von mehreren Assetklassen, doch mit Sicherheit jene, die sich in den kommenden Jahren verstärkt ändern wird: das Retail- und Logistiksegment. Österreich gilt im Vergleich mit anderen europäischen Ländern nämlich als stark unterversorgt, was moderne Logistikimmobilien betrifft. Was einerseits heimische Entwickler auf den Plan bringt, andererseits auch Standorte an der Peripherie für internationale Investoren interessant macht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2018)