EU-Afrika-Forum: „Afrika gehört den Afrikanern“

EU-Kommissionschef Juncker (li) und Kanzler Kurz mit dem AU-Vorsitzenden, Ruandas Präsidenten Paul Kagame, in Wien.
EU-Kommissionschef Juncker (li) und Kanzler Kurz mit dem AU-Vorsitzenden, Ruandas Präsidenten Paul Kagame, in Wien.(c) APA/HANS PUNZ
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Die EU will mehr auf dem Nachbarkontinent investieren und mit den Staaten „auf Augenhöhe“ zusammenarbeiten. Beim Forum in Wien wurden aber auch kritische Töne laut.

Wien. Einen kleinen Seitenhieb auf den Gastgeber kann sich Moussa Faki Mahamat nicht verkneifen. Es habe ihn überrascht, dass einige europäische Staaten bei der UN-Konferenz in Marrakesch nicht bereit gewesen seien, den Migrationspakt zu unterzeichnen, sagt der Kommissionschef der Afrikanischen Union (AU) am Dienstag bei der Eröffnung des hochrangigen EU-Afrika-Forums im Wiener Austria Center. Zumal, setzt er nach, das vergangene Woche verabschiedete Dokument doch keine verbindlichen Regeln enthalte.

Das geht an die Adresse von Bundeskanzler Sebastian Kurz, der neben Faki auf dem Podium steht. Aber auch an die Regierungschefs aus Ungarn, Tschechien, Polen, der Slowakei und Bulgarien, die unter den Zuhörern sitzen. Sie alle hatten den Migrationspakt nicht unterstützt. Im Vorfeld des Afrika-Forums war spekuliert worden, dass Deutschland und Frankreich womöglich deshalb in Wien nicht prominenter vertreten sind als auf hoher Beamten- und Staatssekretärsebene – was Kurz verneinte.

Millionenzusagen

Doch die Bemerkung bleibt zunächst der einzige kritische Ton. Es soll schließlich nicht um Migration gehen, höchstens indirekt, sondern eigentlich um die Wirtschaft. Und darin sind sich alle einig: „Europa braucht Afrika, und Afrika braucht Europa“, wie EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker es ausdrückt. Nun gelte es, eine echte Partnerschaft aufzubauen, damit Afrika sich entsprechend entwickeln kann. Durch Investitionen und enge wirtschaftliche Zusammenarbeit. Faki sagt: „Die afrikanische Jugend will den afrikanischen Kontinent nicht verlassen, um auf einem anderen Kontinent zu leben.“

Der derzeitige AU-Vorsitzende, Ruandas Präsident Paul Kagame, fasst die Stoßrichtung des Forums mit diesem Satz zusammen: „Der wahre Motor für Fortschritt wird der Privatsektor sein – in Afrika wie in Europa.“ Deshalb nehmen an der letzten großen Veranstaltung des österreichischen EU-Ratsvorsitzes auch 1000 Vertreter der Wirtschaft teil, darunter prominente Köpfe wie Siemens-Chef Joe Kaeser oder BMW-Chef Harald Krüger. Kurz hat schon vor rund zwei Wochen auf einer Reise nach Ruanda und Äthiopien Maßnahmen angekündigt. So stellt die Österreichische Entwicklungsbank künftig 55 Mio. Euro statt wie bisher 35 Mio. für Kredite zur Verfügung, Wien richtet einen Investmentfonds von über zehn Mio. Euro ein. Beim Afrika-Forum gibt es dann weitere Zusagen (siehe unten). Insgesamt würden mit der Veranstaltung Investitionen von einer Milliarde Euro möglich, sagt Kurz.

AU-Vorsitzender Kagame, der zusammen mit Wien zu dem Forum geladen hat, zeigt sich jedenfalls zufrieden mit den Resultaten. „Wir haben die Gespräche auf die Ebene gebracht, auf der sie sich befinden sollten.“ Wäre das früher geschehen, hätte man „schon sehr viel mehr“ erreichen können. Europa müsse die Afrikaner „auf Augenhöhe“ sehen „und nicht nur als Begünstigte und Nehmer“, mahnt er. Aber auch Afrika müsse volle Verantwortung übernehmen.

Ein Land, das nicht mit am Tisch sitzt, ist trotzdem sehr präsent: China. Das zeigt sich schon, bevor das Forum in der Früh eröffnet wird. „Wir dürfen den afrikanischen Kontinent nicht den Chinesen überlassen“, sagt Kanzler Kurz vor Journalisten. Juncker konstatiert mit Blick auf die hohen europäischen Direktinvestitionen in Afrika, Europa sei doch schon besser als die Chinesen. Und EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani sagt der „Presse“: „China macht viel in Afrika, aber das ist eine neue Kolonialisierung. Wir wollen mit den Afrikanern kooperieren.“

Vergleiche mit China kommen wenig überraschend. Das Riesenreich hat längst massiv in Afrika investiert, wenn auch nicht immer zum Nutzen der Länder. Im September hatte Peking zu einem „Forum on China-Africa Cooperation“ geladen, mit Staatschefs aus mehr als 40 afrikanischen Ländern und tausenden Geschäftsleuten, bei dem Präsident Xi Jinping Gelder in Höhe von 60 Mrd. Dollar für die nächsten drei Jahre versprach.

„Afrika ist kein Spielplatz“

Was Europa denn besser machen könne als China?, werden die Politiker bei der Pressekonferenz gefragt. Während Kurz für den Wettbewerb spricht und Juncker darauf verweist, dass „die chinesische Hilfe, unter Gänsefüßchen“ auch zur afrikanischen Verschuldung beitrage, wird AU-Kommissionschef Faki deutlich. Er zielt auch auf den Begriff der „Augenhöhe“, der so oft gefallen ist. Afrika sei doch kein leeres Terrain, um das sich die Europäer mit den Chinesen und den Amerikanern schlagen könnten. „Afrika gehört den Afrikanern“, sagt er. Und: „Man darf nicht meinen, dass das ein Spielplatz ist, wo man einfach hingehen und sich bedienen kann.“

Auf einen Blick

Die EU-Kommission sagte u.a. 75 Mio. Euro Kredithilfe für Mittelbetriebe und 45 Mio. Euro für Agrarprojekte zu. Die Europäische Investitionsbank gibt rund 500 Mio. für Kredite für Investitionen. Die Weltbank will bis 2030 über 22 Mrd. Euro mehr für die Digitalisierung in Afrika zur Verfügung stellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2018)

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