Britische Regierung stellt Weichen für neue Einwanderungspolitik – Einjahresvisa für EU-Bürger nach dem Brexit geplant.
London. Am gestrigen Mittwoch hat die britische Regierung ihren lang angekündigten, aber immer wieder verschobenen Entwurf einer neuen Einwanderungspolitik für die Zeit nach dem EU-Austritt präsentiert. Premierministerin Theresa May versucht damit einen Spagat zwischen den beim Brexit-Referendum artikulierten Wunsch nach weniger Einwanderung auf der einen und den Bedürfnissen der britischen Wirtschaft auf der anderen Seite. Ihr Plan sieht eine mehrjährige Übergangsregelung vor, die EU-Bürgern die Einreise nach und Arbeit in Großbritannien ermöglichen soll.
Demnach will London nach dem EU-Austritt Einjahresvisa einführen, die es arbeitswilligen EU-Bürgern ermöglichen sollen, nach Großbritannien einzureisen, ohne über einen bereits unterschriebenen Beschäftigungsvertrag zu verfügen. Die Regelung sieht vor, dass die Neuankömmlinge keinen Anspruch auf britische Sozialleistungen haben und keine Familienangehörigen nachholen dürfen – sie werden also strikt wie Gastarbeiter behandelt.
Als Zugeständnis an die Arbeitgeber will die Regierung vorerst von einer Gehaltsuntergrenze für Migranten absehen – der ursprüngliche Entwurf des Dokuments hatte nämlich ein Mindestjahresgehalt von umgerechnet rund 40.000 Euro vorgesehen. Dieses Limit soll nun überprüft und mit der realen Gehaltslage in Großbritannien in Einklang gebracht werden. Ein weiteres Zugeständnis ist die Tatsache, dass die Regierung die ursprünglich geplante Kontingentierung der Einreiseerlaubnisse für qualifizierte Arbeitnehmer auf maximal 20.700 ersatzlos gestrichen hat. Anders als die Gastarbeitervisa sind die Einreiseerlaubnisse für hoch qualifizierte Arbeitnehmer nicht zeitlich befristet.
Ab wann die neuen Regeln EU-Bürger betreffen, steht noch nicht fest. Für den Fall eines ungeordneten Brexit (siehe oben) dürften sie unmittelbar bzw. nach einer kurzen Übergangsfrist in Kraft treten. Sollte London den mit Brüssel verhandelten Austrittsvertrag akzeptieren, wird der Status quo mindestens bis zum Ende der darin fixierten Übergangsperiode (bis Ende 2020) aufrechterhalten.
Premierministerin Theresa May versteht das knappe Votum für den Brexit als Auftrag der Wähler an die Regierung, die Zahl der Neuankömmlinge zu drosseln. Sie strebe eine jährliche Einwandererzahl von weniger als 100.000 an, sagte May gestern. (ag./red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2018)