Die Bosse der deutschen Wirtschaftsverbände machen sich Sorgen wegen des drohenden ungeordneten Austritts Großbritanniens aus der EU.
Frankfurt. Die deutsche Wirtschaft hält den Brexit – und auch die von US-Präsident Donald Trump befeuerten weltweiten Handelskonflikte – für die größten Bedrohungen für Wachstum und Wohlstand in Deutschland. „Das größte Risiko in der kurzen Frist ist der Brexit“, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, in einer Reuters-Umfrage unter den Präsidenten der wichtigsten deutschen Wirtschaftsverbände.
Ein ungeordnetes Ausscheiden der Briten aus der EU brächte massive Unwägbarkeiten für das Außenhandelsvolumen von über 100 Mrd. Euro mit sich, das Deutschland und das Vereinigte Königreich zuletzt jährlich abwickelten. „Die britische Wirtschaft wäre unmittelbaren Rezessionsgefahren ausgesetzt, die auch an Deutschland nicht unbemerkt vorüberziehen würden“, warnte Kempf.
Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, befürchtet durch den Brexit einen „herben Einschnitt“ mit viel Verunsicherung. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer erwartet Negativfolgen auf beiden Seiten.
Der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Holger Bingmann, nennt den Brexit „das drängendste Problem für die deutsche Wirtschaft“. Der kritische Zeitpunkt für notwendige Klarstellungen für die betroffenen Unternehmen sei schon längst überschritten, „und noch immer ist völlig offen, wie das Drama ausgeht.“
Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer fürchtet wegen des Brexits gar um die Zukunft der Europäischen Union. „Der Brexit darf niemals Schule machen, sondern muss ein singuläres Ereignis in der EU-Geschichte bleiben.“ Der britische EU-Ausstieg muss nach Kramers Worten sogar das Signal für mehr Gemeinsamkeiten in Europa und mehr europäisches Selbstbewusstsein abgeben.
Generell machen sich die Wirtschaftsbosse Sorgen um die globale Lage angesichts der Eskalation der Handelskonflikte zwischen den USA, Europa und China. Sie drohen die Konjunktur erheblich zu dämpfen. (Reuters)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2018)