Wie die Rechtsberatung für Asylwerber funktioniert

PK 'AKTUELLES IM BEREICH FREMDENWESEN': BM KICKL
PK 'AKTUELLES IM BEREICH FREMDENWESEN': BM KICKLAPA/ROLAND SCHLAGER
  • Drucken

Zwei Organisationen teilen sich aktuell die unabhängige Asylrechtsberatung. Türkis-Blau will die Beratung verstaatlichen: Wer sich künftig über einen Bescheid des Innenministeriums beschweren will, soll dabei vom Innenministerium rechtlich beraten werden.

Die derzeit diskutierte Rechtsberatung von Asylwerbern soll künftig in komplett staatliche Hand gehen. Das will die türkis-blaue Regierung. Umgesetzt wird dies aus derzeitiger Sicht wohl im Jahr 2021. Derzeit wird die Beratung von zwei Vereinen durchgeführt: dem Verein Menschenrechte Österreich und der Arge Rechtsberatung, die sich aus Diakonie und Volkshilfe Oberösterreich zusammensetzt.

>> Die Verstaatlichung des Asylwesens

Bekannt sind die Pläne schon länger; ein Streit zwischen Innen- und Justizministerium vor wenigen Tagen rückte das Thema wieder ins Interesse der Öffentlichkeit. Am Wochenende war eine medial ausgetragene Diskussion zwischen dem FPÖ-geführten Innenministerium und dem ÖVP-geleiteten Justizministerium um die Kündigung der Rechtsberatungs-Verträge mit den beiden Vereinen ausgebrochen. Danach stellten die Regierungskoordinatoren Gernot Blümel (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ) klar, dass es bei der Rechtsberatung für Asylwerber bis März einen Regierungsbeschluss für die Neuaufstellung geben soll.

Die Kritik aus dem Innenministerium: Justizminister Josef Moser würde bei dem Vorhaben quasi auf der Bremse stehen. Moser wies das zurück. Das Innenministerium habe die Verträge mit den NGO "ohne vorherige Evaluierung und Kostenabschätzung" kündigen wollen, bis heute würden "keine Wirkungsfolgenabschätzung und keine Kostennutzenrechnung" vorliegen, hieß es aus dem Justizressort, wo man auch die aus dem Innenministerium kommenden Informationen kritisierte: Diese seien nur mündlich - und unvollständig - weitergegeben worden.

Neue Agentur kann frühestens 2021 übernehmen

Da es vor dem Jahreswechsel 2018/2019 zu keiner Kündigung der Verträge von Innen- beziehungsweise Justizressort mit den beiden Vereinen gekommen ist, laufen diese zumindest bis Ende 2020 weiter. Denn das Kündigungsrecht gilt jeweils bis Jahresende mit einer folgenden zwölfmonatigen Kündigungsfrist. Werden die Verträge bis Jahresende 2019 gekündigt, so ist frühestens per 1. Jänner 2021 eine neue Variante möglich - außer die Republik einigt sich auf andere Weise mit den beiden Vereinen.

Die Rechtsberatung ist den Asylwerbern per Gesetz garantiert. Anspruch darauf haben sie im sogenannten Zulassungsverfahren und später in der zweiten Instanz. Bei ersterem wird geprüft, ob die Betroffenen überhaupt Anspruch auf ein Asylverfahren in Österreich haben. Dieser Bereich liegt in der Verantwortlichkeit des Innenministeriums von Minister Herbert Kickl (FPÖ). Während des folgenden Asylverfahrens selbst gibt es keinen Anspruch auf Rechtsberatung.

Innenministerium: Berater bleiben weisungsfrei

Erst in der zweiten Instanz - bei Einsprüchen gegen negative Bescheide - besteht wieder Anspruch auf Rechtsberatung. Diese Verfahren liegen in der Zuständigkeit des Justizressorts und machen derzeit auch den Löwenanteil der Rechtsberatungen aus (über 90 Prozent der Fälle). Laut Diakonie sind rund 30.000 Verfahren anhängig.

Die verpflichtende Rechtshilfe wird derzeit eben von NGO angeboten. Der größte Anbieter ist der Verein für Menschenrechte Österreich, an dem es immer wieder massive Kritik gegeben hat. So berichtete "Die Presse" etwa über einen Asylbetreuer, der Flüchtlingen positive Asylbescheide gegen Geld angeboten hatte.

Sowohl Rechtsberatung als auf BFA in selbem Haus

Beheimatet sein soll die neue Rechtsberatung bei einer für 2020 geplanten Bundesagentur, die im Innenministerium angesiedelt sein wird. Damit würde jene Stelle Beschwerden abwickeln, über die man sich beschwert: Denn auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ist im Innenministerium beheimatet. Und das BFA ist für Asylverfahren in der ersten Instanz zuständig.

Das Innenministerium argumentiert, dass auf diese Weise Asylverfahren schneller durchgeführt werden können. Kritiker sehen darin allerdings eine Gefährdung der Unabhängigkeit. Die Agentur soll Informationen aus dem Innenressort zufolge eine Gesellschaft im Eigentum des Bundes werden, die Gesellschafterrechte vom Innenministerium vorgenommen werden. Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit versucht man seitens des Ministeriums bereits im Vorfeld mit Verweis auf die geplante Weisungsfreiheit der künftig in der Rechtsberatung Beschäftigten zu zerstreuen.

Sorge um "faire Asylverfahren" bei Diakonie

Die Diakonie sieht allerdings mit der Ansiedlung der Rechtsberatung in Kickls Ressort Chancen auf faire Asylverfahren gefährdet. 42,4 Prozent der negativen Bescheide, die das BFA treffe, würden aufgehoben: "Das heißt, unabhängige Richter revidieren fast jede zweite negative Entscheidung des BFA, das eine Behörde des Innenministeriums ist, weil sie fehlerhaft oder rechtswidrig ist. Wenn die rechtliche Vertretung von Asylsuchenden einer Agentur des Innenministeriums übertragen wird, wächst die Gefahr, dass rechtswidrige beziehungsweise fehlerhafte Entscheidungen nicht mehr revidiert werden", argumentiert Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser die Bedenken der NGO. "Es geht um wirksamen Rechtsschutz für Betroffene", meint sie.

Die Diakonie merkt zudem an, dass die vom Innenministerium angeführten Länder, in denen es bereits Rechtsberatung durch staatliche Agenturen gibt, diese mit Verfahrenshilfesystemen arbeiteten, die zumeist in der jeweiligen Justizverwaltung angesiedelt seien. Diese seien in der Regel nicht auf Verfahrenshilfe für Asylsuchende beschränkt und stünden auch anderen offen. Meist würden diese staatlichen Agenturen Rechtsbeistände an die Betroffenen vermitteln und organisierten die Rechtsberatung selbst, hieß es in einer Aussendung.

(APA/epos)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

premium

Der Weg durch Österreichs Asylsystem

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) will in einer neuen Behörde mehr Kompetenzen bündeln. Es wäre nicht die erste Novelle des Asyl- und Fremdenrechts. Doch wie ist das Asylwesen heute organisiert?
Die Zahl der Asylwerber ist 2018 im Vergleich zum Vorjahr stark gesunken.
Innenpolitik

Zahl der Asylwerber befindet sich weiter im Sinkflug

24.735 Asylanträge wurden 2017 gestellt, 2018 waren es 13.400 - die meisten von Syrern. Die meisten Personen in der Grundversorgung kommen indes aus Afghanistan.
Justizminister Moser (l.) und Herbert Kickl lieferten sich einen heftigen Schlagabtausch.
Innenpolitik

Kickl will selbst für Flüchtlinge sorgen

2019 will das Innenressort für Flüchtlinge eine Agentur, ein neues Gesetz und eine eigene Sektion schaffen. Streitereien mit dem Justizministerium verzögern die Pläne aber jetzt schon.
Innenpolitik

Moser kritisiert Vorgehen des Innenressorts bei Asyl-Rechtsberatung

Das ÖVP-Justizressort kritisiert Vorgänge im FPÖ-Innenministerium: Verträge hätten "ohne vorherige Evaluierung und Kostenabschätzung" gekündigt werden sollen. Im Innenressort werden Stimmen gegen Minister Moser laut.
Kommentare

Kickls Werk und Mosers Beitrag

2019 beginnt mit einem Streit. Ausgerechnet.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.