Rennstrecken: Mit Kanten und Courage

Ach sieht die flach aus, das schaffen wir doch locker: Die „Streif“ am Hahnenkamm in Kitzbühel, quasi in 2-D-Ansicht.
Ach sieht die flach aus, das schaffen wir doch locker: Die „Streif“ am Hahnenkamm in Kitzbühel, quasi in 2-D-Ansicht.Tirol Werbung/Michael Werlberger
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Ist das Weltcup-Rennen vorbei, darf der Durchschnittsskifahrer (wieder) ran. Doch nicht jede berühmte Skipiste ist automatisch eine Augenweide und selten ein Spaziergang für den Laien. Ein paar FIS-Strecken zum Nachfahren.

Mit den Weltcup-Pisten ist das so eine Sache: Sie sind bekannt, wenn nicht berühmt-berüchtigt, aber sie sind nicht zwingend die landschaftlich schönsten und technisch entgegenkommendsten in einem Skigebiet. Das hängt unter anderem von ihrer Hangexposition ab: Solche renntauglichen FIS-Pisten schauen gern nach Norden oder Osten oder einer Mischung daraus. Oft haust sie ein schattiger Zaun aus Fichten ein. All das dient ihrer Haltbarkeit, denn möglichst wenig Sonne soll an ihrer kompakten Oberfläche nagen, allenthalben bis Mittag das weiße Band in ein fernsehübertragungstaugliches Licht versetzen (die Hahnenkamm-Abfahrt mitten am Nachmittag wäre ein halb so strahlendes Ereignis).

Wobei Oberfläche: Die Rennstrecken ähneln mehr einem Panzer als einem soften Schneeerzeugnis, weil die Bedingungen für die Sportler ja vergleichbar hart bleiben müssen. Der technische Schnee ist hier noch stärker verdichtet als üblich, zurechtgebügelt von Maschinen, ausgeschoben von vielen Freiwilligen und präpariert mit Wasser aus feinen Düsen. Diese extrasteilen Weltcup-Strecken sind auch nicht unbedingt die Filetstücke im Skigebiet, sprich Abfahrten in bester Lage auf der Sonnenterrasse ganz weit oben.

Nein, der Gletscher hat die Berge so zugeschliffen, dass das Gefälle an ihrem Fuß meistens etwas steiler ist als ein paar Geschoße weiter oben. Dafür ist der Skifahrer mit Kanten und Courage hier auch schneller im Tal. Selbst der Durchschnittskifahrer. Fix und fertig zwar, aber unten.

Streif, Kitzbühel

Am Start oben am Hahnenkamm gar nicht erst ablenken lassen: Nein, die flachere Zufahrt ist die Familienabfahrt, die die neuralgischen Stellen umgeht. Hier, rechts, führt's radikal hinunter. Senkrecht mutet diese als „Skiroute extrem“ markierte und nach der Hahnenkamm-Abfahrt (25. Jänner) geöffnete Mutprobe an. Die steilste Stelle der Streif verstört gleich am Anfang mit einem Gefälle von 85 Prozent. Der Rennläufer macht aus der Mausefalle kurzerhand einen maximal 80-Meter-Sprung, unsereins packt die erste Verzweiflung. Wird besser, weil flacher, aber kommt noch schlimmer, schließlich folgt mit dem Steilhang der eisigste Abschnitt. Wenn die Ski da nicht zittern, dann tun sie es mitsamt der Knie spätestens einige Meter weiter, in der Alten Schneise, und weil einem Rennläufer auch gar nichts an Prüfungen erspart wird, schraubt der sich nach dem Seidelalmsprung durch eine wilde S-Kurve. Während der Durchschnittsskifahrer endlich an der Hausbergkante anlangt und seine Nerven wegwirft, hätte der Sieger unten bereits die Ehrung hinter sich. Keine Bange: Jetzt fehlt nur noch der Zielschuss, auf dem der Laie allerspätestens bereut, dass er so übermütig war. Eines aber muss man der Streif lassen – sie bietet Abwechslung und vermittelt jedem das Gefühl, ein Held zu sein.

Kälberloch, Zauchensee

Diese hochalpine Strecke (teils über der Baumgrenze), die für brennende Oberschenkel sorgt, nennen manche die „Streif der Damen“. Da ist was dran. Der Start am Gamskogel, mit Schrägaufzug erreichbar, sorgt für den ersten Thrill: Da wird binnen weniger Sekunden von null auf hundert beschleunigt. Diesen Part darf der Nachahmer getrost auslassen, er wird auch sonst mehr als gefordert sein – speziell im Mittelteil, wo sich die Kälberloch-Piste in wilde S-Kurven legt und technisch fordert. Eng und steil geht's nach dem Jägersprung mit Krampf dahin. Hat man sich auf der Schmalzleiten vielleicht etwas von dem Druck erholt, könnte man beim Zielsprung nach Zauchensee gute Figur machen. Nein, kann der Laie nicht.

Planai, Schladming

Der steirische Berg hat zwei Gesichter, ein grün-weißes, taghelles und ein goldenes, nächtlich-glamouröses. Auf der Planai zieht ein paar Tage nach dem Hahnenkamm-Spektakel das „Nightrace“ (29. Jänner), ein Slalom-Battle, ebenfalls Zigtausende Besucher an, die gebannt auf das untere Stück Piste schauen. Beim Abfahrtsklassiker musste der Skifahrer bereits weiter oben zeigen, dass er Mumm in den Knochen hat: Mit 72 Prozent Gefälle ging es gleich am Start in Richtung Siegertreppe, oder eben nicht. Entlastend für den Laien ist hier das Wissen um eine Abfolge von etwas weniger abschüssigen Stücken – auf denen er sich auf die nächsten Steilstellen vorbereiten darf. Die dann so heißen wie die Athleten, die sich hier in Schladming hervorgetan haben: Walchersprung, Klammerschuss, Weirather-S. Aber es gibt auch andere Namen, an denen sich der Skifahrer in bremsbereiter Haltung abarbeiten kann, wie Holzhacker oder Italienerloch – das macht die Planai in ihrer Gesamtheit sicher nicht einfacher. Besonders eindrucksvoll übrigens ist die Optik, Abfahrer würden von der Planai gleich direkt in den Ort springen. Tun sie nicht, fühlt sich nur so an.

...und weitere Challenges

Von der FIS homologierte Pisten gibt es in Österreich einige, nicht jede kommt jede Saison zum Renneinsatz. Doch die Auszeichnung ist dem Freizeitsportler ein Indiz für bestimmte Anforderungen hinsichtlich Streckenlängen und Höhendifferenz. Dazu gehören nicht nur so berühmte Abfahrten wie die „Franz Klammer“ in Bad Kleinkirchheim oder „Karl Schranz“ in St. Anton am Arlberg, sondern auch für Slaloms genutzte Strecken wie Stuhleck oder, ja, die Hohe-Wand-Wiese.

Fis-Regeln

Richtig verhalten.Manche Pistenregel klingt so selbstverständlich, dass es verwundert, wie oft und selbstgewiss sie verletzt wird. „Rücksicht auf die anderen“ ist nicht für alle das Gebot der Stunde. Viel zu wenige Skifahrer und Snowboarder haben die zehn FIS-Regeln – etwa zum Anhalten, Überholen oder zum Verhalten bei einem Unfall – wirklich verinnerlicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2019)

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