Der kleine Lenin aus Islington

Auf dem Weg in die Arbeit: Jeremy Corbyn, seit 2015 Chef von Labour, grenzt sich nicht nur stilistisch von der früheren Partei-Elite ab.
Auf dem Weg in die Arbeit: Jeremy Corbyn, seit 2015 Chef von Labour, grenzt sich nicht nur stilistisch von der früheren Partei-Elite ab.APA/AFP/TOLGA AKMEN
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Labour-Führer Jeremy Corbyn will den Brexit nicht verhindern, sondern als Sprungbrett an die Macht verwenden: Er will die Labour-Partei wieder in die Regierung führen. Um jeden Preis.

Als Ornithologen getarnt versammelte sich am 5. September 1915 eine Gruppe von 38 revolutionären Sozialisten im Schweizer Bergdorf Zimmerwald, unter ihnen ein gewisser Wladimir Iljitsch Uljanow, um über die Antwort ihrer Bewegung auf den Ersten Weltkrieg zu beraten. „Vier Kutschen sind genug für alle Internationalisten der Welt“, spottete der unter dem Namen Lenin bekannte Exil-Russe. Doch selbst das hinderte ihn nicht, diese winzige Gruppe noch einmal zu spalten. Während die Mehrheit eine Verständigung suchte, verlangte er einen „proletarischen Bürgerkrieg“. Als er zwei Jahre später in Russland die Chance zur Machtergreifung erkannte, schrieb Lenin 1917 in einem seiner Pamphlete: „Es geht nicht um Stimmen, sondern darum, die Politik des wahrhaft revolutionären Proletariats korrekt umzusetzen.“

Mit ähnlich Lenin'scher Treue hält Jeremy Corbyn, der linksorthodoxe Führer der oppositionellen britischen Labour Party, gegen die überwältigende Mehrheit seiner Partei an seinem Brexit-Kurs fest. Nach einer aktuellen Untersuchung wollen 72 Prozent der Mitglieder eine neue EU-Volksabstimmung, bei der 88 Prozent für den Verbleib stimmen würden. Corbyn will davon weiter nichts wissen: In Reaktion auf das Scheitern seines Misstrauensvotums gegen die Regierung am Mittwochabend, mit dem er den Sturz der Regierung von Premierministerin Theresa May erzwingen wollte, hielt er am nächsten Tag eine Rede, in der er sagte: „Wir bleiben dabei, dass Neuwahlen das Beste für unser Land sind.“

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