Kirgisistans Opposition übernimmt Kontrolle. Präsident Bakijew will jedoch nicht abdanken.
Wien/Bischkek (ag./som). Das Weiße Haus – jenes siebenstöckige Betonungetüm im Zentrum Bischkeks, der Sitz des Präsidenten – war auch nach dem Umsturz das Ziel wütender Attacken. Demonstranten verwüsteten die Räume, Plünderer schraubten Heizkörper ab, wieder andere legten Feuer.
Um der Lage in der kirgisischen Hauptstadt Herr zu werden, ordnete der neue Innenminister der Übergangsregierung, Bolot Schernijasow, am Donnerstag an, auf Plünderer und Randalierer schießen zu lassen. Das berichtete die Moskauer Agentur Interfax.
Bei den Unruhen am Mittwoch sind in Bischkek laut Gesundheitsministerium 75 Menschen umgekommen; die Opposition spricht von mindestens 100 Toten.
Lage im Süden gespannt
Die Übergangsregierung unter Rosa Otunbajewa erklärte unterdessen, sie habe die Kontrolle über weite Teile des Landes übernommen – außer in den im Süden des Landes gelegenen Städten Osch und Jalalabad, die als Hochburgen von Präsident Bakijew gelten. In Osch gingen Unterstützer Bakijews auf die Straße, dabei kam es zu Zusammenstößen mit Oppositionellen.
Das Schicksal des gestürzten Präsidenten war auch am Donnerstag noch unklar – Otunbajewa zufolge hält er sich in der Region Jalalabad auf. Er werde trotz seiner Flucht aus der Hauptstadt Bischkek nicht von seinem Amt zurücktreten, erklärte er laut einer unbestätigten Mitteilung auf dem Internetportal 24.kg, das als Sprachrohr seiner Regierung gilt. Sein Land stehe nach den blutigen Unruhen derzeit am „Rande einer humanitären Katastrophe“.
Russlands Premierminister Wladimir Putin hat die Übergangsregierung unterdessen – anders als die USA und China – anerkannt. Otunbajewa sei „die neue Regierungschefin“, so Putin. Russland schickte außerdem 150 russische Soldaten nach Kirgisistan, um die dort stationierten Streitkräfte und deren Familien zu schützen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2010)