Schaut uns über die Schulter

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Unternehmensbesichtigung. Österreichs Betriebe sind (unterschätzte) Sehenswürdigkeiten. Um den Besuch zum Erlebnis zu machen, brauche es die richtige Inszenierung, sagt Christian Mikunda.

Knapp 8.000 Menschen wollten es im Vorjahr wissen: Wie werden bei Fronius in Wels und Sattledt Schweiß- und Batterieladesysteme sowie Fotovoltaikprodukte hergestellt? Sie machten eine Betriebsführung oder Unternehmensbesichtigung mit. Nach Sprögnitz im Waldviertel kamen sogar knapp 45.000 Besucher, um bei Sonnentor mehr über Biotees und -gewürze zu erfahren. Nur zwei Beispiele von Hunderten.

Der Blick hinter die Kulissen und über die Schulter ist für viele spannend. Ebenso eine Marke „zu Hause“ zu besuchen und das in einer dramatisierten und inszenierten Form zu erleben. Denn „mit der industriellen Produktion gingen die Tore zu“, sagt der strategische Dramaturg Christian Mikunda. Früher konnte man einem Schuster zusehen und erleben, wie ein Schuh entsteht. Also zeigte Sportschuhhersteller Nike als einer der ersten in seinen Flagship-Stores aufgeschnittene Schuhe, um zu demonstrieren, welche Materialien wie verwendet werden.

War es ursprünglich der Wunsch der Unternehmer und der Besucher, die Produktion vor Ort zu inszenieren, ging später der Trend dahin, Produktion und Besuchsfläche zu trennen: aus Gründen der Hygiene, der Sicherheit, weniger wegen der Angst vor Spionage. Kompensiert wird das teilweise durch eine minimalistische „Pars pro Toto“-Produktion im Besucherzentrum. Oder es wird gleich der radikale Schritt gewagt: wie bei den Kristallwelten, die André Heller für Swarovski gestaltete. Gegen den Widerstand des Unternehmens, das so stolz auf seine Maschinen und Präzisionswerkzeuge war, zeigte er eine Zauberwelt aus geschliffenem Glas. Art Priming nennt Mikunda das: vorinszeniertes Erleben.

Gleich, ob das „Brandland“ primär eine Attraktion ist (wie bei Swarovski), ein Auslieferungszentrum (wie häufig in der Automobilbranche) oder ob Unternehmenszentrale, Verkaufsausstellung und Erlebniszentrum zusammenfallen wie beim Büromöbelhersteller Blaha in Korneuburg; die Inszenierung folgt immer dem Dreischritt erklären – verehren – begehren.

Erklären meint, die Stärken der Marke und der Produkte zu zeigen.

Verehren arbeitet mit dem Glory-Effekt: Die Marke wird emotional aufgeladen und das Image der Marke gefördert.

Begehren wird geschaffen, indem Produkte erklärt und angegriffen werden können. Diese Spannung kann schließlich im Shop abgebaut werden: einkaufen und etwas von der Marke mitnehmen. Im Idealfall gibt es auch ein gastronomisches Angebot.

Marketing der Extraklasse

Grundsätzlich aber sagt Mikunda: Brandlands und Markenerlebniszentren haben dann einen Sinn, wenn Kontaktpunkte wie Messen, Flagship-Stores etc. ausgereizt sind. Denn sie sind aufwendig und teuer. Allerdings als Marketinginstrument sehr wertvoll. Für das die Gäste zu zahlen bereit sind, sofern es sich um eine Attraktion handelt.

Bei Sonnentor wurden die Betriebsbesichtigungen ein eigener Geschäftszweig, der mittlerweile unter einer eigenen GesmbH firmiert und 50 Mitarbeiter hat. Bei den Führungen möchte man sich als transparentes, nachhaltiges und gemeinwohlorientiertes Unternehmen präsentieren. „Das lässt sich nicht so einfach mit dem Aufdruck auf einem Teepackerl transportieren“, sagt Martina Wagner von Sonnentor. Bei Fronius sind es zwei Vollzeitbeschäftigte, die die Touren organisieren und begleiten, die „auch ein Gespür für die Arbeit bei Fronius vermitteln“ wollen, sagt Sprecher Daniel Kneringer. „Daher sprechen wir mit den Führungen neben Kunden, Partnern und Privatpersonen insbesondere Schüler, Studierende, Arbeitssuchende und die eigenen Mitarbeiter an.“

Apropos eigene Mitarbeiter: Sie sollten bei der Führung zu sehen sein, sagt Mikunda, aber nicht durch Fragen aus der Arbeit gerissen werden. Ansprechperson ist immer der Tourguide – ist er um eine Antwort verlegen, dann erst kommen die Mitarbeiter ins Spiel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2019)

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