Die EU-Abgeordnete Esther de Lange durfte wie auch einige Kollegen nicht nach Venezuela einreisen. Sie fordert im Interview mit der "Presse" EU-Sanktionen.
Madrid/Wien. Die EU-Parlamentarier befanden sich bereits im VIP-Bereich des Flughafens von Caracas, als am Sonntag ein Beamter der Einwanderungsbehörde plötzlich ihre Pässe mitnahm. „Der Protokolldame war das peinlich, sie wirkte verwirrt. Unsere Botschafter protestierten. Schnell war klar: Wir dürfen nicht ins Land. Wenn wir unsere Pässe zurückwollen, müssen wir ins Flugzeug. Einen Grund nannte man nicht.“ Die niederländische EU-Abgeordnete Esther de Lange ist Montagfrüh gerade in Madrid aus dem Flugzeug gestiegen, als sie der „Presse“ ihre erfolglose Reise schildert. Die Christdemokratin war gemeinsam mit drei spanischen und einem portugiesischen Kollegen der Europäischen Volkspartei (EVP) nach Venezuela geflogen, das von der Opposition dominierte Parlament in Caracas hatte sie eingeladen.
In Venezuela wäre ein Treffen mit Parlamentschef Juan Guaidó geplant gewesen, dem Oppositionsführer, der sich Ende Jänner zum Interimspräsidenten erklärt hatte. Er fordert freie Wahlen und den Rücktritt des autoritären Staatschefs, Nicolás Maduro. Guaidó wird von den USA, mehreren EU-Staaten und dem EU-Parlament als legitimer Präsident anerkannt. Die EVP-Gruppe wäre die erste internationale Delegation gewesen, die Guaidó seit Beginn des Machtkampfes getroffen hätte. Die humanitäre Lage war ebenfalls ein Schwerpunkt der Reise.
Offenkundig sei jetzt, „wie tief gespalten das Maduro-Regime ist“, lautet de Langes Fazit aus der geplatzten Visite. Denn ein Teil der Regierung sei sehr wohl damit einverstanden gewesen, die EU-Delegation ins Land zu lassen. Man habe sogar Treffen mit Regierungsvertretern in Erwägung gezogen. Offensichtlich setzte sich letztlich die Hardliner-Fraktion rund um Außenminister Jorge Arreaza durch. Die EVP-Politiker hätten „konspirative Ziele“ gehabt, polterte Arreaza später denn auch. Sie sollten sich weiterer „Provokationen“ enthalten. Den offiziellen Grund für die verweigerte Einreise kennt die EVP-Delegation jedenfalls immer noch nicht. Für de Lange war die Last-minute-Absage möglicherweise „eine Panikreaktion“.
Venezuela-Kontaktgruppe plant Reise
Die Abgeordnete fordert nun eine deutliche Reaktion der EU: eine Möglichkeit seien Sanktionen, etwa gegen Außenminister Arreaza. Vor allem aber müsste man die künftige Rolle Europas in der Venezuela-Kontaktgruppe diskutieren, die aus mehreren EU- und lateinamerikanischen Staaten besteht. Vertreter der Organisation werden in den nächsten Tagen in Caracas erwartet. „Das würde doch merkwürdig wirken: Vertreter von EU-Ländern treffen in Venezuela problemlos Mitglieder einer Diktatur, während kurz davor EU-Parlamentarier, die direkt von EU-Bürgern gewählt worden sind, gar nicht ins Land gelassen werden.“
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nennt neue gezielte Sanktionen gegen Venezuela "eine Möglichkeit", sagte sie nach Beratungen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel. Die EU wolle aber nicht die venezolanische Bevölkerung treffen, sondern könnte weitere Verantwortliche auf die Liste von Konten- und Einreisesperren setzen.
Mogherini bedauerte, dass Venezuela einer Gruppe von EU-Abgeordneten, die mit der Opposition zusammentreffen wollte, die Einreise verweigerte. Dass dies die Arbeiten der internationalen Kontaktgruppe behindere, glaubt sie aber nicht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2019)