Dämonie und Spaß beim Tanz im Film

„Black Swan“ handelt die wichtigsten gruseligen Elemente der Branche ab.
„Black Swan“ handelt die wichtigsten gruseligen Elemente der Branche ab.(c) Centfox
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Darren Aronofskys Kitschorgie „Black Swan“ wurde zum Kultfilm. Doch das Kino zeigt nicht nur die finsteren Seiten der Ballettomania. Tanz hat oft auch mit Auf- und Ausbruch zu tun – und mit Befreiung.

So sah es das Kind: Erst schauderte es über „Black Swan“, dann freute es sich über „Dirty Dancing“. Vom Drill führt der Pfad zur Selbstbefreiung. 2010 kam Darren Aronofskys Ballettfilm ins Kino. Ein Mädchen mit Porzellanteint und Schnitt in der linken Gesichtshälfte wirbt für den Schocker. Hauptdarstellerin Natalie Portman, die sich die strapaziöse Rolle der Ballerina anverwandelt hatte, bekam den Oscar als beste Hauptdarstellerin. „Black Swan“ handelt die wichtigsten gruseligen Elemente der Branche ab: die ehrgeizige Ballett-(vulgo Eislauf-)Mutter, die will, dass ihr Kind schafft, was ihr selbst versagt blieb; die trickreiche Konkurrenz; die harte Ausbildung und Auslese; die Magie des Erfolgs. „Black Swan“ lockt wie „Twilight“ Pubertierende mit Kitsch und wurde zum Kultfilm. Auf Amazon kann man Tutu, Korsett und Maske kaufen.

2017 drehte Aronofsky einen weiteren Psychothriller, in dem eine Frau als Opfer ausgestellt wird: „Mother!“ mit Jennifer Lawrence, dem Star aus der Jugend-Dystopie „Die Tribute von Panem“. Der böse Mann ist in „Black Swan“ der Tanzdirektor (Vincent Cassel), in „Mother!“ aber schon Bond-Gegenspieler Javier Bardem. Die Beziehung zwischen Lawrence und Aronofsky ging übrigens bald wieder in die Brüche. So baut sich in Hollywoods Fiction immer wieder die Realität ein.

Breakdance. „Black Swan“ war auf Netflix zu erleben. Nun muss man für den Film zahlen – auf Amazon Prime. Die Plattform bietet einige Tanzfilme. Aktuell läuft zum Beispiel „Flesh and Bone“ über eine junge Balletttänzerin in New York: Der Chef der American Ballet Company muss auf seinen Star verzichten und gibt einer jungen Frau eine Chance, die aus armem Milieu stammt und sexuell missbraucht wurde. Netflix setzt mehr auf modernen Tanz. „Battle“ etwa ist ein Hip-Hop-Film: Ein Mädchen, dessen Vater bankrott ist, findet eine neue Trainingsplattform und einen Mann. „Step up“ und „Footloose“ variieren praktisch das Thema von „Dirty Dancing“. 1987 drehte Emile Ardolino mit Jennifer Grey und Patrick Swayze die Geschichte von der Arzttochter Frances, die sich in den Tanzlehrer aus der Unterschicht verliebt. In „Footloose“ (zweimal verfilmt, 1984 und 2011) nähern sich der Teenager und begabte Tänzer Ren und die Tochter des gestrengen Reverends einer Kleinstadt einander an. Dort wurde ein Tanzverbot verhängt, weil Jugendliche auf der Heimkehr von Partys bei Autounfällen starben.

In „Step up“ muss ein Bursch, der mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, Sozialstunden leisten, in einer Ballettschule, die der Breakdancer verachtet – bis eine der Schülerinnen einen Partner braucht. All diesen Filmen gemeinsam ist, dass der Tanz das Wichtigste ist und es um Emanzipation, um Aus- und Aufbruch geht. Dafür steht Tanz auch historisch betrachtet. Aus dem Gesellschaftstanz entwickelte sich das Ballett, das moralische Bedenken überwinden musste und sich immer mehr professionalisierte. Schließlich war der Kanon so eng, dass, parallel zur sich entwickelnden Moderne, Künstler ausbrachen. Isadora Duncan oder Grete Wiesenthal etablierten freien Tanz, der erst skandalisiert, dann gefeiert wurde. Bis heute gibt es die Tänzer, die der „Schinderei“ des klassischen Balletts entfliehen. Doch auch zeitgenössischer Tanz erfordert einen durchtrainierten Körper, Training und Entschlossenheit.

Business Kind. Ein besonders heikler Bereich sind die Kinder. Sie zelebrieren oft in frühen Jahren Rollenspiele, ob diese gewünscht sind oder nicht: Die Prinzessinnen-, die Pferde- oder die Ballerinaphase gehören dazu, wie der Ritter oder Prinz bei den Buben.

Kinderbücher oder Filme betreiben da oft naive Propaganda. Wie „Die kleine Ballerina“, ein freundliches Pendant zu „Black Swan“. Unter den vielen Kursen auf Youtube ist auch „Ballettunterricht für Kinder. Ein Einführungskurs“. Hier darf man sich fühlen „wie eine richtige Ballerina“ und erfährt, dass dies nicht gesundheitsschädlich ist. Ein Unsinn, wie die Praxis oft zeigt. Freilich: Kinder dürften beim Ausprobieren bald feststellen, was für ein himmelweiter Unterschied zwischen Hüpfen und Virtuosität besteht. Und das wirkt fast beruhigend.

Weltstars

Marie Taglioni. 1804–1884. Star des Romantischen Balletts und Meisterin des Spitzentanzes.
Fanny Elßler. 1810–1884. Die gebürtige Wienerin sorgte für Furore in Berlin, Paris, Russland und Nordamerika.
Anna Pawlowa. 1881–1931. Wurde bei Djagilews berühmten „Ballets Russes“ ein Star mit Vaslav Nijinsky.
Margot Fonteyn. 1919–1991. Die Britin verhalf dem Royal Ballet zu weltweiter Anerkennung und baute auch ein Medienimage auf – etwa in „Schwanensee“ mit Rudolf Nurejew, der jahrzehntelang an der Staatsoper tanzte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2019)

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