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Weltjournal

Wie bedeutend ist Notre-Dame?

Die drei großen Glasrosetten haben das Feuer überstanden.
Die drei großen Glasrosetten haben das Feuer überstanden.APA/AFP/PATRICK KOVARIK
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Der renommierte Wiener Kunsthistoriker Artur Rosenauer sieht die herausragende Rolle von Notre-Dame eher in der gesellschaftlichen Funktion. Der Bau selbst ist Rekonstruktionen fast gewöhnt.

„Denn so verfährt man seit bald zweihundert Jahren mit den wundervollen Kirchen des Mittelalters. Verstümmelungen erleiden sie von allen Seiten, von innen so wie von außen. Der Priester übertüncht sie, der Baumeister kratzt sie ab; schließlich kommt das Volk darüber und demoliert sie. (...)“ So beginnt Victor Hugo seinen berühmten „Glöckner von Notre-Dame“, der im Originaltitel noch stärker auf den eigentlichen Hauptdarsteller fokussiert, nämlich die mittelalterliche Architektur selbst: „Notre-Dame de Paris. 1482“ hieß der 1831 erschienene historische Roman. Die Einleitung schließt mit der düsteren Prophezeiung, an die in der Nacht auf Dienstag wohl einige dachten: „(...) und die Kirche wird vielleicht selbst bald von der Erde verschwinden.“

Vor den apokalyptischen Fernsehbildern zitterten alle, die schon einmal in Paris waren und die einmal hinfahren wollen – was hier brannte, ist für viele das Symbol des mittelalterlichen Paris und somit Frankreichs Geschichte, eine Touristenattraktion mit 13 Millionen Besuchern jährlich. Der Hysterie, die sich in den sozialen Netzwerken ausbreitete, stand das doch ein wenig abgeklärtere Entsetzen mancher Kunsthistoriker gegenüber, etwa eines der Doyens der Wiener Kunstgeschichte, des Gotik-Spezialisten Artur Rosenauer, den die „Presse“ noch in der Nacht erreichte. Noch während die Flammen loderten, ahnte er: „Es wird kein Nachruf werden. Es ist nicht alles verloren.“ Sofort musste er an den Brand des Stephansdoms 1945 denken, als auch der Dachstuhl brannte. „Im besten Fall sind die Gewölbe gerettet, im schlechtesten Fall sind sie durchschlagen, auch das ist etwas, was rekonstruierbar ist. Ich hoffe jedenfalls, dass es nicht schlimmer ist als das, was 1945 im Stephansdom passiert ist. Die Löschmöglichkeiten heute sind schließlich viel größer, als sie es damals in Wien waren.“


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