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Wie eine Innovationsabteilung im Unternehmen funktioniert, ohne erdrückt zu werden

Jean-Philippe Hagmann
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Serie „Wie radikale Innovation gelingt“ (3/8). Eine Innovationsabteilung hat ein einziges Ziel: radikale Innovationen zu entwickeln. Dazu muss sie autonom und unabhängig von übrigen Unternehmen sein.

Jetzt kommt ein Spagat. Eine Innovationsabteilung gehört zum Unternehmen und ist doch frei vom Tagesgeschäft. In Jean-Philippe Hagmanns Konzept kreißt sie tollkühne Visionen, ist aber nicht verantwortlich für deren Umsetzung. Sie genießt den Rückhalt des Top-Managements, liefert dem aber nur wenige Erfolgskennzahlen. Sie braucht großartige Leute, aber keine Experten.

Wie sieht eine solche Innovationsabteilung aus? Vergleichen wir sie mit einem Fußballklub. Der hat einen Besitzer, den Sponsor. Dessen einziges Interesse ist, dass sein Klub gewinnt, weil er dann Geld macht. Dasselbe gilt für den Sponsor unseres Innovationsteams. Er gehört dem Top-Management an, hält seine schützende Hand über das Team und räumt ihm Hindernisse aus dem Weg. Aber: Er darf sich weder einmischen noch hineindrängen (beides fällt erfolgsgetriebenen Managern schwer).

Sein Gegenstück im Klub ist der Trainer. Er ist höchstpersönlich vom Sponsor ausgewählt und ein profunder Kenner von Markt und Metier. Seine Aufgabe ist, die Spieler zum Erfolg zu coachen. Er sorgt dafür, dass sie nur das tun, was sie am besten können: im Fußballklub Fußball zu spielen, in der Innovationsabteilung Ideen zu kreißen, so viele wie möglich. Hier hat er eine weitere Aufgabe: diese Ideen gnadenlos zu hinterfragen und sogar die sehr guten auszusortieren. Überleben dürfen nur exzellente.

Die Spieler des Kreativteams nehmen sich Probleme vor, die eine große Anzahl von Menschen betreffen, und suchen nach Lösungen, so vielen wie möglich. Keine inkrementellen Lösungen, sondern radikale. Stichwort: Was löst das Problem zehnmal besser als alles bisher Dagewesene? Innovationsexperte Hagmann rät zu Teams aus drei bis fünf Querdenkern und Ideenabteilungen, die aus maximal drei solcher Teams bestehen. Deren Mitglieder sollen ein breites Wissen mitbringen, durchaus auch Fachwissen – aber sie dürfen keine Experten sein. Die denken Hagmann zu wenig kreativ.

Was die Mitglieder im Kreativteam noch auszeichnet: jede Menge Querdenkertum, Lösungskompetenz und intrinsischer Motivation. Prämien und Boni demotivieren sie eher. Knappe Budges machen erfinderisch.

Die Aufgabe dieser Innovatoren ist es nun, eine große Zahl kunterbunter Ideen zu einem definierten Problem zu kreißen. Diese zu bewerten ist ausdrücklich nicht Aufgabe des Teams. Zumindest macht sie es nicht gemeinsam. Mehr dazu in der nächsten Folge.

Weitere wichtige Player im Innovationsspiel sind die Brückenbauer. Wir erinnern uns: Das Innovationsteam agiert völlig unabhängig vom Tagesgeschäft. Nur wenige im traditionellen Unternehmen wissen, was sie tun. Würden sie eine exzellente Idee ans Unternehmen übergeben wollen, niemand hätte deren Entstehung mitbekommen. Die Idee wäre zum Scheitern verurteilt.

Genau dafür braucht es die Brückenbauer. Die sind fest im Unternehmen verankert, typischerweise neugierige, offene und gut vernetzte Intrapreneur-Typen. Sie wurden schon vorab regelmäßig eingeweiht, haben die Geburt der neuen Idee bis hin zum ersten Prototypen (MVP oder Minimum Viable Product) miterlebt und gedanklich auf Umsetzbarkeit gecheckt. Ihre Aufgabe ist, die junge Idee ins Unternehmen hineinzutragenund die richtigen Umsetzer dafür zu begeistern.

Die Umsetzer sind typischerweise Experten, Techniker, Marketing- oder Salesleute. Erfinden braucht einen anderen Menschentyp als in Serie gehen und vermarkten. Die Brückenbauer sollte auch sie immer wieder auf Stand bringen, damit sie bereit sind, sobald das junge Pflänzchen bereit ist – die künftige radikale Innovation.

Was Entdecker von Umsetzern unterscheidet

  • Die Entdecker dürfen Entscheidungen über Gedeih oder Verderb einer Idee fällen, ohne jemanden zu fragen.
  • Die Entdecker suchen nach dem richtigen Ziel, die Umsetzer nach dem richtigen Weg zum Ziel.
  • Entdecker springen vor und zurück, Umsetzer nur linear nach vorn.
  • Entdecker finden mit geringen Budgets ihr Auslangen. Ideen finden braucht wenig Geld, Produkte im Markt einführen hingegen viel.
  • Den Entdeckern sei dringend ans Herz gelegt, regelmäßig „Vernissagen“ für Sponsor, Brückenbauer und Experten zu veranstalten. So können die der jungen Lösung von früh an beim Wachsen zuschauen.

Wie man aus vielen schrägen Ideen die richtige herausfischt, lesen Sie nächste Woche.

Die Ideen zu dieser Serie stammen aus dem Buch „Hört auf, Innovationstheater zu spielen“ von Jean-Philippe Hagmann.

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