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Woran man kreative Menschen erkennt

Jean-Philippe Hagmann
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Serie „Wie radikale Innovation gelingt“ (5/8). Radikale Innovationen brauchen kreative Köpfe. Nach welchen Menschentypen Sie Ausschau halten sollten.

Hier sind zwölf Erkennungsmerkmale kreativer Menschen:

  • Sie brechen Regeln. Wie der 21-jährige Stabhochspringer Dick Fosbury, der so den Scherensprung erfand. Ein „Das tut man nicht“ sollte sie stutzig machen.

  • Sie wechseln Perspektiven. Wie einige vor ihm fand auch Buchlektor Barry Cunningham das Manuskript einer arbeitslosen Alleinerzieherin sehr eigenwillig. Weil es aber ein Kinderbuch war, gab er es seiner Tochter zu lesen. Die war begeistert – wie seither Millionen Harry-Potter-Leser.

  • Sie lieben Probleme. Der Homo sapiens überlebte, weil er Probleme lösen kann. Schon deshalb sollten wir Probleme schätzen.

  • Sie gehen Risiken ein. Im Film „Der Ja-Sager“ muss Jim Carrey allem zustimmen, auch wenn ihn das in Schwierigkeiten bringt. Im Kern ist das ein gutes Training: Wer nichts wagt, erreicht auch nichts.

  • Sie sprühen vor Ideen. Google produziert mit seiner separaten Innovations-Tochter „X“ viele radikale Projekte, etwa Google Glass, Google Loon oder selbstfahrende Autos. Der Chef von X nennt sich nicht CEO, sondern Captain of Moonshots. A propos Ideensammeln: Machen Sie es nicht wie ein Eichhörnchen. Das sammelt brav Nüsse und vergräbt sie für den Winter, vergisst aber oft wo. So geht es Ihnen auch, wenn Sie Ihre Ideen in einem Ideenmanagement-Tool vergraben. Sie finden sie nie wieder. Außerdem ist nicht die Idee der Startpunkt einer Innovation, sondern ein Problem.

  • Sie heißen Störungen willkommen. Störungen des Gleichgewichts zwingen uns zu improvisieren. Und das ist eine wunderbare Quelle für Innovationen. Dem legendären Jazz-Pianisten Keith Jarrett gelang die erfolgreichste Solo-Platte aller Zeiten auf einem völlig verstimmten Flügel. Auch wenn es paradox klingt: Solange wir uns in unserer Komfortzone bewegen, gelingt uns nur Mittelmaß.

  • Sie brauchen ihre Hände. Wir sind gewohnt, Ideen und Konzepte niederzuschreiben. Wirkungsvoller ist es, sie zu visualisieren: aus Knetmasse, Lego oder Pappe einfach zu bauen. Als Jeff Hawkins in den 1980ern bei GRiD an seinem ersten portablen PC arbeitete, trug er ein gleichformatiges Holzbrett überall mit sich herum, um die Idee auf Alltagstauglichkeit zu überprüfen.

  • Sie erzählen Geschichten. Menschen lieben Geschichten. Das erklärt, warum so viele auf den E-Mail-Betrug des Nigerianischen Prinzen mit Geldbedarf hereinfielen. Eine gute Geschichte beginnt in einer Situation der Normalität, dann kommt ein Konflikt, ein Erdbeben – und am Ende herrscht eine neue Normalität. Üben Sie, solche Geschichten zu erzählen!

  • Sie begraben ihre Lieblingsideen. Jeder Autor löscht tausende Zeilen, bevor er sein Buch veröffentlicht (oft sind es die schönsten). Jeder Programmierer löscht tausende Codes. Der Psychologe Daniel Kahnemann fand schon in den 70er-Jahren heraus, dass jene Lebewesen besser überlebten, die ihr Augenmerk auf das Vermeiden von Verlusten legen, im Vergleich zu jenen, die ihre Gewinne maximieren wollten. Verluste schmerzen doppelt so stark wie Gewinne Freude machen. Dieses Phänomen heißt „Sunk Cost“ und bedeutet, dass es umso schwerer ist, eine Sache loszulassen, je mehr man in sie investiert hat.

  • Sie überschreiten Fachgrenzen. Innovatoren sollten „Wissens-Polygamisten“ sein. Gemeint ist das Interesse an vielen verschiedenen Wissensgebieten. In seinem Buch „The First 20 Hours: How to Learn Anything“ beschreibt Josh Kaufmann, wie Sie in nur 20 fokussierten Stunden in jedes Wissensgebiet eintauchen: Zuerst das Gebiet in kleine Happen zerteilen, dann die wichtigen herauspicken und ablenkungsfrei lernen und üben. Wichtig: Nicht aufhören, bis wirklich 20 Stunden investiert sind.

  • Sie schenken Vorschussvertrauen. Heißt nichts anderes als: Vertrauen Sie Ihren Partnern. Vor allem Sponsoren und Investoren müssen extra viel Grundvertrauen mitbringen.

  • Sie bleiben ein Leben lang Anfänger. Die Stanford-Professorin Carol Dweck fand heraus, dass es Menschen mit zwei Mindsets gibt: dem wachsenden und dem fixen. Erstere lernen und entwickeln sich ständig, zweitere bleiben stehen. Wer auf einem Gebiet herausragend sein will, braucht ersteres – Innovatoren natürlich auch. Kramen Sie einmal alte Kinder- und Jugendbilder von sich heraus und erinnern Sie sich, was Sie damals für die Wahrheit hielten. Dann vergleichen Sie mit heute. Ist der Unterschied klar?

In der nächsten Folge kommenden Montag lesen Sie, wie der Innovationsprozess abläuft

Die Ideen zu dieser Serie stammen aus dem Buch „Hört auf, Innovationstheater zu spielen“ von Jean-Philippe Hagmann.

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