Stilvolles, schlichtes und eher steifes Sayonara

Naruhito, der 126. Tenno, bei der Inauguration im Kaiserpalast in Tokio.
Naruhito, der 126. Tenno, bei der Inauguration im Kaiserpalast in Tokio.imago images / Kyodo News
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Thronwechsel in Tokio: Kaiser Akihito dankte ab und überließ den Chrysanthementhron Kronprinz Naruhito.

Tokio. Akihito sagte leise Sayonara. Leicht vorgebeugt, schlurfte der alte Kaiser auf schwarz-lackierten Pantoffeln, die auf dem Zedernboden rhythmisch klapperten, durch die Gänge des Palasts. Der 125. Tenno trug – wie immer zu feierlichen Anlässen – die Kanmuri-Kopfbedeckung, einen Hut mit Schleife aus schwarzem Papier. Allerdings vermied Akihito die ganz strenge Mode der höfischen Tracht mit ihren schweren zwölf Lagen.

So kündigte der Kaiser den Göttern seine Abdankung an, wie es die Shinto-Religion und die 2600-jährige Tradition vorsehen. Begleitet wurde er von zwei Priestern in weißen Gewändern und schwarzen Hüten, die eine Art Schleppe hinter Akihito hielten. Sonst durfte niemand dabei sein, als der Tenno frühmorgens die religiösen Riten in einem der Palastschreine vollzog und der Sonnengöttin Amaterasu Omikami Verehrung und Respekt zollte.

Streng geheime Amtssiegel

Der eigentliche Abschied Akihitos nach drei Jahrzehnten Regentschaft verlief später eher prosaisch. Um Punkt 17 Uhr begann Dienstagnachmittag ein nur zehnminütiges Zeremoniell im Prunksaal des Kaiserpalasts. Zum letzten Mal wurden dem Tenno seine Amtssiegel, das Reichsschwert und ein Kronjuwel – allesamt geheimnisvoll in Tücher gehüllt –, als Insignien seiner kaiserlichen Legitimität zur Seite gegeben. Es gibt von diesen Kleinoden weder Zeichnungen noch Fotos. Nicht einmal der Tenno selbst darf sie zu Gesicht bekommen.

Etwa 300 handverlesene Gäste – Minister, Abgeordnete, hochrangige Richter und Gouverneure – hatten die Ehre, diesem Akt beizuwohnen. Auch die erwachsenen Mitglieder der kaiserlichen Familie, selbst die weiblichen, waren anwesend. Premier Shinzō Abe würdigte die Verdienste von Tenno Akihito, der als erster Kaiser seit über 200 Jahren freiwillig und noch zu Lebzeiten in den Ruhestand tritt.

In seiner Ära, Heisei – „Frieden überall“ –, erlangte der Kaiser hohe Beliebtheit beim Volk. Seine Regentschaft ist für viele Japaner ident mit Moderne und Völkerverständigung, aber auch mit Wirtschaftskrise und Stagnation. Wie ein Fels in der Brandung stand Akihito seinen Landsleuten als Trostspender bei, wenn wieder einmal Erdbeben, Tsunami oder Taifune die Menschen beutelten. Was Abe nicht erwähnte: Akihito hat sich stets bemüht, den Schatten seines 1989 verstorbenen Vaters, Hirohito, zu überwinden, unter dessen Führung Japan fast ganz Asien mit Krieg und Gräuel überzogen hat.

Sein 59-jähriger Sohn, Kronprinz Naruhito, übernahm am Mittwoch Schlag Mitternacht als 126. Tenno die Kaiserwürde. Die japanische Dynastie gilt als die älteste der Welt und reicht der Legende nach bis zum mythischen Kaiser Jimmu zurück, der ab 660 vor Christus regiert haben soll.

Donald Trump als erster Staatsgast

Zur traditionellen Prozedur waren nur die Regierung und die drei männlichen Erwachsenen des Kaiserclans zugelassen, nicht aber die neue Kaiserin, Masako. Erst in einer zweiten Zeremonie erschienen auch die Damen der imperialen Familie. Die 55-jährige Masako trug ein weißes bodenlanges Kleid, eine Schärpe und eine Tiara.

Naruhito leistete seinen Eid auf die Verfassung und gelobte, seine Pflichten als Symbol des Staates und der Einheit des Volkes treu zu erfüllen. Genau so ist das Amt beschrieben, regieren darf der Tenno nicht. Er soll sich aus politischen Debatten heraushalten, darf aber Ende Mai als ersten Staatsgast US-Präsident Donald Trump empfangen.

Formell wird der neue Tenno im Oktober noch einmal gekrönt. Bis dahin wird er sich relativ rar machen und seinem Volk nur am 4. Mai auf dem verglasten Balkon des Tokioter Palasts zuwinken – sechs Mal im Stundentakt. In voller Würde besteigt Naruhito dann am 22. Oktober offiziell den legendären Chrysanthementhron. Zu dieser großen Krönungsfeier sind Tausende Staatsgäste aus rund 200 Ländern eingeladen.

Für die Japaner begann am 1. Mai eine neue Ära: Reiwa (schöne Harmonie). Jeder kann sich etwas anderes darunter vorstellen. Die Auswahl traf ein Gelehrtenteam, die Entscheidung die Regierung.

Hoffen auf Wirtschaftsboom

Stilvoll zwar, aber eher schlicht und etwas steif ging der Thronwechsel über die Bühne. Immerhin wurde nach der Abdankung Akihitos mit einem Gläschen Wein angestoßen. So nüchtern der offizielle Amtswechsel insgesamt ablief, die Japaner sollen ausgelassen feiern. Die Regierung verordnete ein gigantisches Volksfest, Shinto-Priester schwenkten Gratis-Sake aus. Trotz des strömenden Regens hat die Polizei in den Tokioter Parks und im weitläufigen Umfeld des Kaiserpalasts Partymeilen abgesteckt.

Die Japaner haben in der Goldenen Woche Urlaub, und die Wirtschaft erhofft sich einen Thronboom und ein Milliardengeschäft für Brauereien, Hotels, Einzelhändler, Flug- und Eisenbahngesellschaften. Eine Rekordzahl von fast 25 Millionen Japanern soll zu den Feiertagen auf Reisen sein. „Die Menschen sind in fantastischer Festtagsstimmung“, jubelt ein Sprecher der Brauerei Asahi. Dafür gibt es einen besonders guten Grund: Dieses Mal wird der Thronwechsel nicht durch den Tod des Kaisers nötig, niemand muss trauern.

Auch Japans Autoindustrie – namentlich Toyota – bekommt ihren Anteil. Da der in die Jahre gekommene Rolls-Royce mit dem alten Kaiser Akihito abdankt, wird für die Krönungsparade am 22. Oktober eine neue Staatskarosse konzipiert. Dem Vernehmen nach wird Tenno Naruhito dann mit einer Spezialanfertigung des Toyota Century unterwegs sein – einem Auto, das nur in Japan produziert und an den Kaiserhof sowie steinreiche Firmenbosse verkauft wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2019)

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