Fidschi: Mallorca der Südsee

Gelände. Das Innere der großen Inseln ist von Gebirgen zerklüftet.
Gelände. Das Innere der großen Inseln ist von Gebirgen zerklüftet.(c) Mark Snyder
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Australische Reisende schätzen Fidschi als freundliches – und nahes – Inselparadies. Einige Beobachtungen über die Inselgruppe, die ihre Traditionen neu entdeckt.

Schwierig, eine pauschale Aussage über Fidschi zu treffen, über einen Archipel mit einem geradezu indiskreten Inselüberfluss, 106 bewohnten, 332 insgesamt – und weiteren gut fünfhundert Inselchen, die als Felsen fungieren. Elf Monate lang könnte man täglich eine besuchen, was hoffentlich niemand macht, und auf jeder dritten Insel würde man die freundliche Begrüßung „Bula“ hören und ebenso freundlich zurückgrüßen können. Ein erster Blick in die Gesichter, die begeistert „Bula!“ rufen – auf Fidschis Inseln wird notorisch gelacht und gebulat –, macht allerdings nachdenklich, zeigt es doch, dass die Südsee noch eine Menge Zähneputzkampagnen benötigen wird, damit die Leute, vor allem die Dorfbewohner, ihr Gebiss auch über jenes Alter hinaus behalten, in dem Menschen vor langer Zeit durchschnittlich die Welt verließen. Die Zähne sind nicht so wahnsinnig wichtig, solange andere Sorgen vorherrschen. Die 823.000-Einwohner-Republik, international am ehesten durch ihr grotesk unnachhaltiges Export-Mineralwasser und ihr unerwartet starkes Rugby-Team wahrgenommen, ist überdurchschnittlich vom Klimawandel betroffen, von steigendem Meeresspiegel und tropischen Wirbelstürmen.

Bewegung. Nicht immer nur tauchen: Auch mit dem Kajak  geht’s zum Riff.
Bewegung. Nicht immer nur tauchen: Auch mit dem Kajak geht’s zum Riff.(c) Tourism Fiji

Naturschutz gilt wie überall im Südpazifik auch von Regierungsseite her als zentrales Anliegen. Einige Inseln auf Fidschi sind hochgefährdet, zum Beispiel Ono Island, wo Dutzende Meter Strand verloren gingen und Ansiedlungen unter Wasser stehen. Doch nicht nur die Erderwärmung droht. Auch Tiere sind gefährdet, zum Beispiel der berühmte Fidschi-Bockkäfer, seines Zeichens zweitgrößter der Welt mit 15 Zentimetern Körperlänge. Durch sein seltenes Auftreten weiß man recht wenig über seine Lebensräume und Aktivitäten – daher kann diesem Opfer von Psalidognathus-Sammlern keiner so richtig helfen.

Konflikte und Indien. Die Bula-Freundlichkeit ist die hübsche Fassade einer multireligiösen Gesellschaft mit einem brutalen Kampf um Hegemonie zwischen den ursprünglichen Fidschianern, heute als iTaukei bezeichnet, und Nachkommen der 60.000 Fidschi-Inder aus Uttar Pradesh und Bihar, Arbeiter in britischer Kolonialzeit, für die Arbeit auf Zuckerrohrplantagen eingewandert. Das System hieß Girmit („Vereinbarung“), war halb Vertragsarbeit, halb Sklaverei. Allmählich entwickelte sich die auf Hindustani basierende Sprache „Fidschi-Hindi“, von der auch die iTaukei mit ihrem melanesischen Idiom einige Wörter kennen.

Zum Ende der Achtzigerjahre – lang nach der Unabhängigkeit 1970 – hatte schließlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung indischen Hintergrund, doch es fehlte an Gleichberechtigung. 1987 wurde eine Fidschi-Inderfreundliche Regierung aus dem Amt geputscht, 1999 wurde erstmals ein „Inder“ Premierminister, allerdings nur bis zum erneuten Umsturz. Die iTaukei achteten genau darauf, nicht ein weiteres Mal das Trauma des Kolonisiertwerdens zu erleben. Seitdem kam es zu vier Staatsstreichen, und erst seit 2013 sehen wir uns einer gelenkten Demokratie gegenüber, in der Premierminister Frank Bainimarama die Zügel fest in der Hand hält.

Maßnahme. Der Klimawandel macht vor Fidschis Küsten nicht halt. Gegenstrategie: Korallen pflanzen.
Maßnahme. Der Klimawandel macht vor Fidschis Küsten nicht halt. Gegenstrategie: Korallen pflanzen.(c) Tourism Fiji

Außergewöhnliche Inseln und Inselgruppen rücken inzwischen in den Fokus des Tourismus, am ehesten die gut erreichbaren. Schon beim Landeanflug auf Nadi fällt im Westen die wunderschöne Mamanuca-Gruppe auf, weiter außerhalb treten die fast unberührten Yasawa-Inseln hervor. Bekannt als Tauch-, Schnorchel- und Wassersportoption für sonnenhungrige Australier und Neuseeländer, ist Fidschi auch ein Naturparadies – mit etwa 57  Vogel-, 89  Süßwasserfisch-, sechs Fledermaus-, 354  Korallen- oder 780 Schnecken-Spezies, gar nicht zu sprechen von über 300 Farnen.

Haifische adoptieren. Viele Reisende beginnen ihre Fidschi-Tour auf der sattgrünen Hauptinsel Viti Levu (etwas größer als Kärnten). Hier befinden sich die internationalen Flughäfen, der wichtigste beim Touristenzentrum Nadi (sprich: Nandi), der andere in der größten Stadt des Südpazifiks, Suva (100.000 Einwohner). Ihren Norden durchschneidet die Kings Road, durch den Süden verläuft die Queens Road, und wer früh genug aufbricht, kann Viti Levu in einem Tag umrunden. Nahe der Vergnügungsstadt Pacific Harbour liegt ein heiliges Inselchen namens Beqa – der Geburtsort des Haifischgottes Dakuwaqa, umgeben von einem fast durchgehenden Riff, wodurch sich die 64 Quadratkilometer große Beqa Lagoon gebildet hat, für Taucher einer der besten Haifischbeobachtungsorte der Welt, unter anderem mit Tiger- und Sichelflossen-Zitronenhaien. Die Shark Reef Marine Reserve, angelegt für den Haischutz, propagiert Hai­adoptionen. Bei näherer Betrachtung wird klar, dass Fidschis Haie nichts anderes als Menschen sind: vorsichtig, glatzig, neugierig, jeder ganz individuell.

Jenseits der Bligh-Passage, wo die Bounty nach der Meuterei unter Fletcher Christian 1787 ihren Altkapitän William Bligh aussetzte, liegt die zweite große Insel, Vanua Levu, von der Fläche her halb so groß. Auch sie hat zwei Zentren, das lebendige Labasa und Savusavu mit heißen Quellen vor nebelbedeckten Bergen – als wären im tropisch-feuchten Klima heiße Quellen nötig. Noch größere Faszination übt die Garteninsel Taveuni aus, ganz im Osten des Staatsgebiets. Mit ihrem Regenbogenriff und der luminiszenten „Great White Wall“ wird sie oft als „Weichkorallenhauptstadt der Welt“ bezeichnet. Die Tauchdestination propagiert das Motto: „Take only pictures – leave only bubbles.“ Durch Taveuni verläuft der 180.  Breitengrad, also die Datumsgrenze – doch aus naheliegenden Gründen vermeidet man Datumssprünge auf festem Boden. Fidschi gehört in seiner Gesamtheit zu „unserem“ Datum, weiter östlich bekennen sich die meisten Inselstaaten zum amerikanischen.

Zutaten. Samstagmorgen empfiehlt sich der ­Besuch auf den Märkten.
Zutaten. Samstagmorgen empfiehlt sich der ­Besuch auf den Märkten.(c) Martin Amanshauser

Kein Feilschen, kein Streit. Direktflüge aus Sydney und Auckland haben Suva, die größte Stadt des Südpazifiks, einst die Krone der britischen Besitzungen, mit Besuchern gefüllt. Heute ist die Hauptstadt eine quirlige Mischung mit fidschi-indischem Marktleben und Einkaufsparadies mit überraschend vielen Kolonialgebäuden in Veranda- und Balkon-Architektur. Neben dem Albert Garden, in dem 1928 die Maschine des Pazifik-Überquerungspioniers Sir Charles Kingford Smith landete, erstreckt sich der politische Bezirk, mit Parlament und Legislativgebäuden, jenseits des Rugby-Grundes das renovierte Grand Pacific Hotel, der Uhrturm und das Fidschi-Museum. Zwar didaktisch nicht auf dem neuesten Stand, bilden jedoch mehrere traditionelle Drua sein Herzstück, langgestreckte Kanus, dank ihres an der Spitze angebrachten Schiefsegels in beide Richtungen mobil.

Marktwesen mit Fixpreis. Auf dem Markt vor dem Gebäude des Front Harbours (1930), das schon bessere Zeiten gesehen hat, schlafen die Leiharbeiter in Scheibtruhen. Die Ständen dahinter haben ihre Bananenstauden, lila Melanzani, den frische Salat und Yamwurzeln in Portionen geordnet, mit Fixpreis. Niemand kann hier feilschen oder streiten. Essensstände bieten abgepacktes Huhn mit Reis zum Aufwärmen, Casavakuchen in Form von riesigen Drei­ecken, fett herausgebackene Samosas und selbst gemachte Hausfrauen-Roti mit überraschend milder Curry-Kartoffel-Füllung.

Amra Wati, 64, arbeitet seit 17 Jahren als Marktverkäuferin, seit ihr Mann sie verlassen hat und sie drei kleine Kinder allein ernähren hat müssen. „Ich bin nie in die Schule gegangen, meine Eltern haben mich nicht hingeschickt“, erzählt sie, „das Kaufen und Verkaufen hab ich mir selbst beigebracht.“ Aufgewachsen in Vanua Levu, ging sie vor 15 Jahren nach Suva. „Ich besorge mir jeden Morgen von Bauern das Gemüse, deshalb muss ich um zwei Uhr früh aufstehen – ich investiere etwa 100 Fidschi-Dollar und mache einen Tagesprofit von 50 oder 60  Dollar. Manchmal auch weniger. Ich denke aber auch an die Leute. Für Stammkunden oder solche mit wenig Geld mache ich Extrapreise. Ich komme schon irgendwie durch.“

(c) Martin Amanshauser

Vermietete Kultur. Die Gesellschaft von Fidschi ist mit Rückständigkeit imprägniert, Fernsehen gibt es erst seit 1991, Homosexualität ist seit 2002 nicht mehr strafbar. Sie kämpft nicht nur untereinander, sondern auch um den Zugang zu den eigenen Traditionen. Eine Debatte löste jüngst folgendes Angebot eines Einheimischen auf Facebook auf: „Müssen Sie ein Reguregu (traditionelles Begräbnis, Anm.), ein Bulubulu (traditionelle Danksagung und Vergebung, Anm.) oder ein Sevusevu machen und wissen nicht, wie Sie das angehen? Dann mieten Sie doch einen Herald. Für 100 Fidschi-Dollar pro Sitzung werden wir Ihnen ein traditionelles Bulubulu oder ein Sevusevu organisieren!“

Die Anzeige spiegelt die Unfähigkeit vor allem moderner junger Städter wider, die althergebrachten Forderungen zu erfüllen. Die Reaktionen waren stark, viele beklagten die Kommerzialisierung der iTaukei-Kultur und fanden es schändlich, aus solchem Wissen Geld zu machen. Andere dankten, dass ihnen jemand aus dem Dilemma half. Der Journalist Sikeli Qounadovu versuchte, eine Brücke zu schlagen, und meinte, die Debatte bespreche letztlich den Wert der eigenen Identität. Wenn jemand Geld für Wissen über Kulturtechniken verlange, steigere es deren Wert: „Die Tage sollten vorbei sein, als es nur die Pflicht der Alten war, die Tage sollten vorbei sein, an denen wir nur einfach herumsaßen und andere die traditionellen Zeremonien aufführen ließen. Wann wollen wir sie neu lernen? Und sind wir überhaupt bereit, sie zu lernen?“

Infos

Hotels in Viti Levu: Quest Suva, Suva Central Building, 5. Stock, questapartments.co.nz
Smugglers Cove, Hostel nahe Nadi Airport, direkt am Strand.

Insel-Hopping ab Viti Levu: mit Captain Cook Cruises Fiji, aus­tralisch geführtes Familienunternehmen, im Hochpreissegment, seit einem halben Jahrhundert in Fidschi aktiv. Fahrten zwischen Yasawa- und Mananuca-Inseln. Cooles Projekt: Gäste, Crew und Dorfbewohner befreien gemeinsam die Strände von Plastikmüll.

Lokale in Suva: Governors (vielfältig, im Kolonialhaus), Moments Café (modern, mit Smoothies, Westfrühstück, Burgers, Eierspeisen, Eden (Top-End-Lokal, pazifische/indische Küche), Shanghai Seafood (guter Chinese).

Info: Tourism Fiji, www.fiji.travel

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