Die Schlacht der Justizbehörden

Christian Pilnacek.
Christian Pilnacek.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Korruptionsstaatsanwaltschaft rückt den Generalsekretär des Justizressorts in die Nähe des Amtsmissbrauchs. Christian Pilnacek soll die Eurofighter-Ermittlung gebremst haben.

Wien. Darf ein Ermittlungsverfahren „ewig“ dauern? Inwieweit können Staatsanwälte eigenständig ermitteln? Heikle Fragen wie diese wirft die jüngste Wendung in der Causa Eurofighter auf. Wendung? Der Begriff Eskalation ist wohl treffender: Die den Fall Eurofighter führende Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat ihre Vorgesetzten, darunter den mächtigen Generalsekretär des Justizministeriums, Christian Pilnacek, quasi angezeigt.

Diese „Anzeige“ – eigentlich ist es ein auf dem Dienstweg an Justizminister Josef Moser herangetragener „Informationsbericht“ – spielt auf einen schwerwiegenden Verdacht an: Anstiftung zum Amtsmissbrauch. Pilnacek habe bei einer Dienstbesprechung am 1. April zu den WKStA-Ermittlern gesagt: „Ich mach ein Auge zu, und wir stellen irgendwelche Dinge ein.“ Und: „Setzt euch zusammen und daschlogts es(erschlagt es, Anm.), aber das hättet ihr vor drei Jahren machen können.“ Das Protokoll dieser Dienstbesprechung wurde am Donnerstag vom Medienprojekt Addendum und dem Radiosender Ö1 auszugsweise veröffentlicht.

„Keine Weisung erteilt“

War dies nun eine Aufforderung, bestimmte Bereiche der hochkomplexen Causa unter den Tisch fallen zu lassen? Zur Erinnerung: Es geht um mutmaßliche Schmiergeldzahlungen bei der Anschaffung der Jagdflugzeuge.

Pilnacek kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen: „Ich habe in dieser Sitzung keine Weisung erteilt, auch nicht kundgetan, dass man der Meinung des Ministeriums folgen muss. Es war eine Diskussion über die Verfahrensstrategie und unterschiedliche Meinungen, die es dazu gegeben hat. Mein Bestreben war, dass man auf den bisherigen Verfahrensergebnissen aufbaut und diese nicht verwirft.“

Jedenfalls wanderte der Informationsbericht der WKStA mittlerweile an die Staatsanwaltschaft Linz, die den Amtsmissbrauchsverdacht nun prüft.

Können Teile eines Ermittlungsverfahrens freihändig oder auf Zuruf eingestellt werden? Natürlich nicht. Das Legalitätsprinzip gebietet es, einem Verdacht amtswegig nachzugehen. Allerdings wäre es absurd anzunehmen, dass jede Einstellung einer Ermittlung schon ein Amtsmissbrauch sein könnte. Für Staatsanwaltschaften gilt der Leitsatz: Ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt ist nur dann in Form einer Anklage an ein Gericht heranzutragen, wenn es mehr als 50 Prozent Verurteilungs-Wahrscheinlichkeit gibt. Auch eine Ermittlung nicht einzustellen, kann den Tatbestand des Amtsmissbrauchs erfüllen. Kurioserweise zeugt ausgerechnet der vorliegende Fall davon: Wie „Die Presse“ enthüllt hat, wurde vom früheren Eurofighter-Staatsanwalt Michael Radasztics (Staatsanwaltschaft Wien) ein Ermittlungsstrang jahrelang weitgehend unbearbeitet liegen gelassen. Dabei ging es um mutmaßliche Bestechlichkeit von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser im Zusammenhang mit den Eurofightern. Mittlerweile wird Radasztics – eben wegen seiner Untätigkeit – von der Staatsanwaltschaft Eisenstadt mit Feuereifer verfolgt (inklusive Rufdaten-Erfassung seiner Telefonate). Die Eurofighter/Grasser-Ermittlung wurde per (nicht rechtskräftigem) Gerichtsbeschluss eingestellt.

Zurück zu Pilnacek: Er ist seit vielen Jahren das Gesicht des Justizressorts. Der 56-Jährige war bei der Reform des Vorverfahrens legistisch federführend tätig. Wer, wenn nicht er, weiß, was in einem Ermittlungsverfahren sein darf und was nicht? Pilnacek „anzuschießen“, wie dies die WKStA getan hat, erfordert also Mut. Übrigens: Auch der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Johann Fuchs, war bei der Dienstbesprechung anwesend und steht nun unter Verdacht. Aber Mut allein ist noch keine Erklärung. Das Ganze auf fachliche Differenzen in der Causa Eurofighter zurückzuführen, wäre auch zu kurz gegriffen. Vielmehr hat sich im Hintergrund eine Entfremdung, um nicht zu sagen eine tiefe Abneigung zwischen der WKStA und den Oberinstanzen, also der OStA und vor allem dem Ministerium, entwickelt.

Mediation soll helfen

Einer der Kriegsgründe ist die BVT-Affäre. Die WKStA hatte die – mittlerweile als teilweise rechtswidrig qualifizierte – Hausdurchsuchung in Büros des Staatsschutzes durchgepeitscht. Pilnacek hatte dies kritisiert. Weiters ließ der Generalsekretär jüngst wissen, dass er sich von der WKStA die Fähigkeit erwarte, ein Ermittlungsverfahren zu managen. Sprich: den Blick auf das Wesentliche zu haben. Und: Die WKStA leidet unter den vielen Berichten, die sie nach „oben“ abliefern muss.

Wie es weitergeht? Aus Sicht von Pilnacek so: „Ich werde den Vorschlag des Bundesministers unterstützen, eine professionelle Mediation in Anspruch zu nehmen, um eine tragfähige Arbeitsbeziehung wiederherzustellen.“


[PGVGH]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2019)


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