Bewerbung

Hat das Motivationsschreiben ausgedient?

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Slim Recruiting liegt im Trend. Pro und Contra für eine klassische Bewerbung.

Keine Bewerbung ohne Lebenslauf und Motivationsschreiben, hieß es bisher. Geht es aber nach Unternehmen wie Deutsche Bahn, Konsumgüterhersteller Henkel oder Versandhaus Otto hat das Motivationsschreiben ausgedient. Sie setzen auf Slim Recruiting, also eine schriftliche Bewerbung, die nur aus Lebenslauf und Zeugnissen besteht. Hat das Potential? Geoffroy de Lestrange vom Talent-Management-Softwareunternehmen Cornerstone OnDemand hat Pro- und Contra-Argumente zusammengetragen.

Nein zum Motivationsschreiben

Immer mehr Unternehmen verzichten auf das Motivationsschreiben. Das hat mehrere Gründe:

  • Ein Lebenslauf ist schnell verfasst und verschickt. Ein Motivationsschreiben braucht Zeit. Deshalb dauern auch Bewerbungsverfahren länger.
  • Den Kandidaten fehlt das Wissen, um ein solches Schreiben zu verfassen. Ganz besonders betroffen sind Erstbewerber wie Schüler oder Lehrlinge, die noch nie zuvor ein Motivationsschreiben erstellen mussten.
  • Erstbewerber sind überfordert und frustriert und bewerben sich deshalb gar nicht.
  • Oder sie suchen sie im Internet nach Formulierungen und Vorlagen. Das Ergebnis: Motivationsschreiben sind alle sehr ähnlich. Personaler haben sich an den Floskeln schon sattgelesen.
  • Viele Recruiter finden Noten und Erfahrungen ausschlaggebender für die richtige Einschätzung. Und die finden sich ohnehin in Zeugnissen und im Lebenslauf.
  • Man kann mehr Bewerber persönlich kennenlernen, wenn nicht schon wegen des Motivationsschreibens aussortiert wird.

Ja zum Motivationsschreiben

Es gibt allerdings auch viele Argumente dafür, warum ein Motivationsschreiben Sinn macht:

  • Das Schreiben gibt wichtige Meta-Informationen über den Kandidaten preis, wie zum Beispiel den persönlichen Schreibstil. Es fungiert als eine Art Visitenkarte und vermittelt einen ersten Eindruck.
  • Den Vorwurf, dass die meisten Anschreiben aus den gleichen Floskeln bestehen, kann man zu seinem Vorteil nutzen, indem man persönlichen Stil einfließen lässt und sich dadurch von den 08/15-Motivationsschreiben abhebt.
  • Man kann erklären, warum man sich genau bei diesem Unternehmen bewirbt. Voraussetzung ist natürlich, dass man nicht einen Text schreibt und diesen an alle Unternehmen schickt, sondern das Schreiben individuell an die jeweilige Bewerbung anpasst.
  • Um ein Motivationsschreiben zu verfassen, muss sich der Bewerber vorab mit dem potenziellen Unternehmen auseinandersetzen. Fällt das weg, können sich Kandidaten auch ohne Recherche bewerben.
  • So landen auch solche Bewerber beim Gespräch, die keine Ahnung vom Unternehmen selbst haben. Personaler müssen sich aber durch unzählige Bewerbungsgespräche quälen, um das festzustellen.
  • Zeugnisse und Schulnoten sind alleine nicht aussagekräftig genug, um zu entscheiden, wer zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird. In Bewerbung steckt das Wort „Werbung“ drin. Ohne Motivationsschreiben verkommt die Werbung für sich selbst aber zu einer statischen Auflistung von Produktdetails.

Was heißt Slim Recruiting jetzt für die Bewerber? Bei Henkel oder Otto wird zwar kein Motivationsschreiben verlangt, diese Unternehmen evaluieren die Kandidaten aber anders. Bei Otto müssen die Bewerber eine Motivationsfrage beantworten, wenn sie kein Schreiben einreichen wollen. Das spart den Personalern Zeit. Bei Henkel gibt es Vorabtelefonate, um die Fragen zu klären, die in der Bewerbung nicht beantwortet wurden. So kann schneller aussortiert werden.

Fazit: Slim Recruiting bedeutet in der Umsetzung nichts anderes, als dass Absagen deutlich schneller erfolgen sollen. Sich mit dem Unternehmen und der eigenen Motivation auseinanderzusetzen, bleibt Bewerbern aber auch hier nicht erspart.

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