Sudan: Sollten sich die Sicherheitskräfte spalten, droht Krieg

Nicht alle in der Militärführung dürften mit dem harten Vorgehen gegen die Demonstranten einverstanden sein.
Nicht alle in der Militärführung dürften mit dem harten Vorgehen gegen die Demonstranten einverstanden sein.APA/AFP/-
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Bei der gewaltsamen Auflösung eines Sitzstreiks kamen 60 Menschen ums Leben. Das ist auch in der Militärführung nicht unumstritten. Eine Einheit verschafft sich mehr und mehr Einfluss - mit Unterstützung von arabischen Ländern.

Die Zeichen stehen nicht gerade auf Entspannung: Erst ließ die Militärführung im Sudan Demonstrationen niederschlagen, dann kündigte sie alle Vereinbarungen mit der zivilen Opposition für eine friedliche Machtübergabe auf. Stattdessen solle innerhalb von sieben Monaten gewählt werden, teilte der militärische Übergangsrat am Dienstag mit. Zuvor war die Rede von neun Monaten.

Angesichts der innenpolitischen Krise warnen Experten vor Spaltungen innerhalb der Sicherheitsorgane, weiterer Gewalt bis hin zum Bürgerkrieg sowie der Einflussnahme mächtiger regionaler Akteure. Sicherheitskräfte hatten am Montag gewaltsam eine Sitzblockade im Zentrum Khartums aufgelöst, die zum Symbol der Revolution im Sudan geworden war. Mit Tränengas und scharfer Munition gingen sie gegen Demonstranten vor, wie Augenzeugen, Ärzte und Oppositionsvertreter berichteten. Dabei seien mindestens 60 Menschen getötet und mehr als 100 weitere verletzt worden, teilte ein Ärzteverband mit. Zudem wurde in vielen Teilen des Landes das Internet abgeschaltet.

Internationale Kritik am Vorgehen des Militärs

Die Opposition rief zu zivilem Ungehorsam und friedlichen Protesten auf, international hagelte es Kritik. Die Regierungen der USA, Norwegens und Großbritanniens veröffentlichten eine gemeinsame Stellungnahmen, in der sie das Verhalten der sudanesischen Militärführung verurteilen. "Indem sie diese Angriffe befohlen hat, hat die Militärführung den Transformationsprozess und den Frieden im Sudan aufs Spiel gesetzt", heißt es in dem Statement der Troika.

Die drei Länder verlangten ferner, dass alle mit der Opposition getroffenen Vereinbarungen, insbesondere zur Bildung einer zivilen Übergangsregierung, eingehalten werden sollen. "Das Volk des Sudans verdient einen von Zivilpersonen geleiteten, geordneten Übergang, der die Voraussetzungen für freie und faire Wahlen schaffen kann, statt eiliger Wahlen, die von den Sicherheitskräften verordnet werden", heißt es in dem Papier.

Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates

Die Vereinten Nationen äußerten sich besorgt: "Es ist sehr wichtig, dass keine exzessive Gewalt eingesetzt wird", sagte Stéphane Dujarric, der Sprecher des UN-Generalsekretärs António Guterres. Die für Todesfälle Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Bei einer Sondersitzung des Sicherheitsrats informierte der UN-Sondergesandte Nicholas Haysom die 15 Mitglieder am Dienstag hinter verschlossenen Türen in New York über die Lage. Der deutsche UN-Botschafter Christoph Heusgen zeigte sich besorgt über die Gewalt. "Legitimität kann nicht mit Waffen erzeugt werden."

Der militärische Übergangsrat im Sudan "bereut" nach eigenen Angaben die Ereignisse und versprach, Ermittlungen einzuleiten. Etliche Demonstranten gingen Augenzeugen zufolge am Dienstag erneut auf die Straßen Khartums und riefen auch Parolen gegen den Übergangsrat.

Nach drei Jahrzehnten an der Macht war der sudanesische Präsident Omar al-Bashir im April von den Streitkräften gestürzt worden. Dem Putsch waren monatelange Massenproteste vorausgegangen. Der große Flächenstaat im Nordosten Afrikas mit 41 Millionen Einwohnern gehört zu den 25 ärmsten Ländern der Welt und steckt in einer schweren Wirtschaftskrise, was die Proteste ausgelöst hatte. Seit dem Putsch rangen das Militär und die Opposition um die Bildung einer Übergangsregierung. Die Gespräche brachen kürzlich zusammen, da sich beide Seiten nicht einigen konnten, wer die Regierung leiten sollte.

Sorge um Spaltung der Sicherheitskräfte

Für die Unterdrückung der Proteste am Montag machten viele nicht die Armee, sondern die berüchtigten Schnellen Einsatztruppen (RSF) verantwortlich. Die paramilitärische Truppe wird von Mohammed Hamdan Daglu (genannt Hemeti) geleitet, dem zweiten Mann im Übergangsrat. Augenzeugen berichteten am Montag von Mitgliedern der RSF, die an der Auflösung der Sitzblockade beteiligt gewesen seien. Auch am Dienstag seien auf den Straßen Khartums etliche Mitglieder und Fahrzeuge der RSF zu sehen gewesen, sagte Demonstrant Faisal Ali.

"Das größte Risiko ist nun eine Spaltung der Sicherheitsorgane", twitterte Rashid Abdi von der Denkfabrik International Crisis Group. Es gebe Anzeichen, dass nicht alle Teile der Militärführung mit den Geschehnissen vom Montag und der zunehmenden Macht Hemetis einverstanden seien, sagt Experte Andrews Atta-Asamoah von dem Institut International Security Studies. Es müsse sich noch zeigen, ob und wie solch eine Spaltung verlaufen werde. Doch auch die Denkfabrik Soufan Center warnte, es gebe "ein reales Risiko, dass die Lage in einen vollen Bürgerkrieg ausarten könnte".

Die Militärführung und vor allem Hemeti genießen Experten zufolge die Unterstützung besonders mächtiger Akteure: Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Saudiarabien. Sie alle würden im Sudan stark Einfluss nehmen, sagt Atta-Asamoah. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi kann demnach etwa durch seinen derzeitigen Vorsitz der Afrikanischen Union (AU) dort Unterstützung für die Militärführung mobilisieren. Saudiarabien und die VAE würden dem Land finanziell kräftig unter die Arme greifen und unter anderem Hemeti mit Waffen und Ausrüstung versorgen, so das Soufan Center. Die drei Regionalmächte wollen den Experten zufolge aus unterschiedlichen Gründen die Geschehnisse im Sudan steuern - doch vor allem, um zu verhindern, dass sich die Protestbewegung in anderen Ländern der arabischen Welt ausbreitet.

(APA/dpa)

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